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"Guillaume Tell" am Theater an der Wien

Den Apfel treffen und siegen. Eine fast unmögliche, unmenschliche Aufgabe als Preis für die wahre Freiheit. Wenn es doch so einfach wäre. Rossinis Opernbearbeitung des Wilhelm Tell-Stoffes ist vielschichtiger. Torsten Fischer hat sie gestern, Samstag, als Graustufenchoreografie ins Theater an der Wien gebracht: Sorgsam gebautes Musiktheater mit guten Stimmen, starken Frauen und viel Faschismus.

Schwarz-weiß mag das Farbschema der Bühne dominieren, inhaltlich hält man sich fern davon. Freiheitskämpfer Tell und sein Kontrahent, der grausame Gouverneur Gesler, stehen sich letztlich im Zweikampf gegenüber. Tell - daran lässt Fischer keinen Zweifel - wird zum Mörder. Die Schlachtrufe nach Freiheit, die Hymnen auf das Vaterland tragen nicht nur den Klang des Heroischen, sie hallen dunkel nach, können heute nicht unwidersprochen bleiben als romantische Ziele einer "Grand Opera". Die mutigen, ängstlichen Kämpfer werden von Tell und seinen Freunden zu Boden geworfen, wie Vieh zusammengetrieben, ehe sie ihre Kampfesausrüstung - bei Fischer: Hemd und Krawatte - anlegen.

Das sind nicht die Guten. Der Apfelschuss war ein Glückstreffer, kein göttlicher Beistandsbeweis. Moralische Führungsverantwortung vergibt Fischer lieber an starke, klare, liebende Frauen und betont durch vermehrte, wenn auch stumme, Präsenz die Rollen von Mathilde, der Privilegierten, die aus Gerechtigkeitssinn die Seiten wechselt und Hedwige, die besorgte, tatkräftige Frau und Mutter der Tells.

Aber nicht nur Heldenklischees weicht dieser "Guillaume Tell" großräumig aus, auch dem alpenländischen Charme des traditionell schweizerischen Stoffes könnte man ferner nicht sein. Zwar ziert die Bühne anfangs eine Schneelandschaft, zwar evoziert das Hochzeitsfest der jungen Paare mit himmelhohen Schaukeln für die Damen und einem Tanz der Weingläser starke Bilder einer fragilen Idylle - letztlich verortet Fischer seinen Tell aber in einer kühlen, heutigen Bildsprache und auf einem schmucklosen Metallgitter, das sich über die gesamte Bühne erstreckt. Es kann sie von oben in Räume zerteilen, ein Podium bieten und die darunter zermalmen.

Wichtigstes Werkzeug von Komponist, Regisseur und Dirigent ist der Chor, dem einige der nachdrücklichsten Melodien, fast alle Schlüsselszenen sowie der Gutteil des stark choreografisch gedachten Szene-Konzepts gewidmet sind. Mit dem Arnold Schoenberg Chor steht hier freilich ein Spitzenensemble zur Verfügung, das für feine Musikalität und spannungsreiche Massenszenen garantiert.

Auch das Sängerensemble ist reich an Leistungsträgern. US-Tenor John Osborn als Arnold sorgt mit einwandfreier, strahlender Bewältigung der fordernden Partie für Szenenapplaus, ebenso die glasklar intonierende Sopranistin Jane Archibald als Mathilde. Christoph Pohl gibt einen glaubwürdigen wie ambivalenten Tell, Anita Rosati einen glockenhellen Jemmy und Marie-Claude Chappuis findet sich stimmlich mitunter im Widerstreit mit ihrer Hedwige.

Am Pult der Wiener Symphoniker lieferte gestern der junge venezolanische Dirigent Diego Matheuz sein Hausdebüt - und fand sich dabei durchaus gefährlich in die Mühlen der Partitur und des umfangreichen Bühnengeschehens verstrickt. Neben dem weitgehend geglückten Versuch, die Trittsicherheit zu bewahren, war leider kaum noch Kapazität übrig, die raffinierte Textur der französischen Rossini-Oper auch einigermaßen lebendig zu gestalten. Mit Schwerfälligkeit und Vorsicht kann aber selbst ein Rossini kaum Herzen erobern.

(APA)

(Quelle: S24)

Aufgerufen am 26.04.2024 um 07:29 auf https://www.salzburg24.at/news/welt/guillaume-tell-am-theater-an-der-wien-60403012

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