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Foto: © Ingo Höhn
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Die Slapstick-Oper „Im Amt für Todesangelegenheiten“ von Klaus von Heydenaber am Theater Luzern

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In Franz Molnárs „Liliom“ hat der Protagonist die Chance, nach seinem Tod nochmals für eine zweite Chance auf die Erde zukommen – das Musical „Carousel“ von Richard Rogers und Oscar Hammerstein II packt die Geschichte in süffige Musik, die mit „You‘ll never walk alone“ bis heute in die Fußballstadien der Welt ausstrahlt. Auch Molnárs Landsmann Viktor Bodó interessiert sich für einen spielerischen, auch komischen Umgang mit dem Tod. Gemeinsam mit dem Komponisten Klaus von Heydenaber hat der ungarische Regisseur die sogenannte Slapstickoper „Im Amt für Todesangelegenheiten“ entwickelt, die am Luzerner Theater zum Spielzeitauftakt uraufgeführt wurde.

Eine Oper (fast) ohne Text – in Auftrag gegeben von Intendant Benedikt von Peter, gespielt vom agilen Luzerner 21st Century Orchestra (Musikalische Leitung: William Kelley) und einem aus Schauspielern und Sängern zusammengesetzten Solistenensemble, das die zu wenig stringent erzählte Geschichte zumindest in einzelnen Szenen mit Leben füllt.

Márton Ágh hat für die Produktion (Koproduktion mit Lucerne Festival, Theater Winterthur und 21st Century Orchestra) ein zweiteiliges Bühnenbild geschaffen. Im ersten Stock sitzt das klinisch weiße Amt für Todesangelegenheiten, in dem Beamten mit der gleichen Frisur Kaffee kochen und Notizblöcke ausfüllen. Darunter befindet sich eine versiffte U-Bahnstation, die zu den groovenden, neoklassizistisch gefärbten Klängen aus dem Orchestergraben noch leer bleibt. Dann geht das Licht aus – Donnergrollen und Sirenen setzen ein. Ein Stromausfall, der vier Todeskandidaten nochmals eine neue Chance gibt. Das erfährt man aber erst kurz vor Schluss, wenn das Licht zum zweiten Mal gelöscht wird und der Schauspieler Lukas Darnstädt, der zuvor als fotografierender Penner agierte, ins Publikum kommt, um die Geschichte, beleuchtet von Zuschauerhandys, umständlich zu erklären. Hier fehlt die Verklammerung der Ebenen, hier fehlt jede Verbindung zwischen dem einzelnen und der übergeordneten Macht.

So erfährt man ersten Teil nur etwas über das Leben der in der U-Bahn-Station Gestrandeten, als hätte es das Vorspiel im Himmel gar nicht gegeben. Zwischen Fotoautomat, Frisörladen und Toilette bewegen sich die Figuren in einer eigenen Welt. Gianna (Lunardi) besingt ihr Leid in einer italienischen Opernarie, die zur Dauerschleife wird. Robert (Maszl) steht ihr emotional in der Trauer um seiner gestorbene Frau nicht nach. Das Pathos wird unter anderem karikiert durch die ökobewegte Sofia (Elena Borsani) – „do you have one minute to save the earth“ –, den singenden Feuerwehrmann Vuyani (Mlinde) und den agilen Schlüsseldienstinhaber Yves (Wüthrich). Angetrieben von der eingängigen Musik, die auch mal jazzig werden kann oder die Minimal Music berührt, wird ein Beziehungsnetz geknüpft, in dem die Akteure mal mehr, mal weniger zueinander finden. Echte Reibungsflächen entstehen nicht. Es fehlt der Biss. Der Abend atmet den Geist von Operette und Revue, zumal auch kleine Choreographien eingebaut werden. Am Prägnantesten wird noch die Figur von Diana (Schnürpel) ausgestaltet, die sich von der russischen Putzfrau zur Primadonna im Klopapierkleid (Kostüme: Fruzsina Nagy) mit spektakulären Spitzentönen entwickelt. Der zweite Teil spielt in einer Leichenkammer, bevor das Amt für Todesangelegenheiten den Reset-Knopf drückt, die Musik rückwärts läuft und die Personen ihre Identitäten getauscht haben. Alles könnte nun unter veränderten Vorzeichen von vorne beginnen – aber genau an der Stelle, die Spannung verspricht, hört die Oper auf.

 

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