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Wie gesellschaftliche Normen bröckeln

Von Michael Wruss, 07. August 2018, 00:04 Uhr
Wie gesellschaftliche Normen bröckeln
Der Auftritt der skelettierten Zarin gleicht einer makabren Marienprozession. Bild: APA/BARBARA GINDL

Salzburger Festspiele: Bejubelte Premiere von Tschaikowskis Oper "Pique Dame".

Peter Iljitsch Tschaikowskis Glücksspieloper "Pique Dame", die am Sonntag im Großen Festspielhaus unter großem Jubel Premiere feierte, ist die Geschichte einer zum Scheitern verurteilten Liebe. Einer Liebe zwischen einem einfachen Offizier und einer Adeligen, deren Verlobung mit dem überaus wohlhabenden Fürst Jelezki am Beginn des zweiten Aktes steht. Dennoch brennt ihr Herz für Hermann, der sich in seiner verzweifelten Suche nach dem monetären Glück immer mehr von ihr entfernt und dem Geheimnis der drei Karten ohne Rücksicht auf Verluste auf der Spur ist.

Kinder zu Soldaten abgerichtet

Regisseur Hans Neuenfels geht diesen zentralen Handlungssträngen auf den Grund und zeichnet geradlinig eine Liebesgeschichte, die an einer zerrütteten, nur am dünnen Faden der Tradition dahinvegetierenden Gesellschaft zerbricht. Hier provoziert Neuenfels, wenn er etwa den Kinderchor als Klone in Zwangsjacken und Käfige gepfercht hereinführen lässt und zeigt, wie eine Gesellschaft ihre Kinder zu Soldaten abrichtet. So wird auch der Auftritt der Zarin zur Reliquienverehrung eines mit überdimensionierten Unterarmen versehenen Skeletts im Krönungsornat – gleich einer makabren Marienprozession. Die Gesellschaft besteht nur noch aus Skelett und Hülle, aber nicht mehr aus Fleisch, etwas, was dann auch die Gräfin in der nächsten Szene an ihrem Alter zerbrechen lässt.

Christian Schmidt (Bühne) und Reinhard von der Thannen (Kostüme) unterstreichen mit ihrer Ausstattung dieses Scheitern am Auseinanderbrechen einer Gesellschaft, die sich an die Tradition wie an einen Strohhalm klammert. So gelingen Bilder von großer Suggestivkraft und perfekter szenischer Dramaturgie.

Musikalisch war diese "Pique Dame" vor allem durch die Wiener Philharmoniker und Mariss Jansons ein Riesenerfolg. Im Parfum dieser unglaublich präzise formulierten Musik badend und die Dynamik nutzend, erzielte dieses Kraftwerk ganz zu Recht den meisten Applaus.

Mit der Besetzung kann man zufrieden sein, wenngleich Evgenia Muraveva eine nicht ganz runde Lisa ist und einige Zeit brauchte, um dem dramatischen Sog Mariss Jansons’ zu folgen. Brandon Jovanovich versuchte es als Hermann umgekehrt und lief Gefahr, bereits in den ersten Szenen sein Pulver zu verschießen. Es gelang ihm aber dennoch eine stimmlich wie schauspielerisch überzeugende Leistung. Die markanteste Arie setzte Igor Golovatenko als Fürst Jelezki überragend um, und Hanna Schwarz wurde als Alte Gräfin zum eigentlichen Star des Abends. Einmal nicht an den Rollstuhl gefesselt, scheint sie zunächst jene willensstarke Pique Dame von einst zu sein, doch spätestens im zweiten Akt fällt diese zur Hülse erstarrte Maske, und hinter der grellbunten älteren Dame erkennt man den devastierten Körper eines der Contenance gehorchenden Häufchen Elends.

Vladislav Sulimsky punktet als Graf Tomski, Alexander Kravets und Stanislav Trofimov sind als Tschekalinski und Surin bestens besetzt, und Oksana Volkova sticht als sonore Polina/Daphnis heraus. Großartig die auch choreografisch (Teresa Rotemberg) gesteuerte Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und der fein agierende Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor.

Fazit: Eine gute, aber nicht überragende Besetzung, die unter der Leitung von Mariss Jansons unglaubliche Leistungen vollbringt und Hans Neuenfels’ Regie folgt. Eine vom Publikum zu Recht bejubelte Produktion.

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