Die Jungs in den kessen Schottenröcken: der etwas andere Männerchor mit Mezzo-Sopranistin Antonella Colaianni. Foto: Festival Bad Wildbad
Die Rossini-Oper „L’equivoco stravagante“ wird 2018 vom Publikum gefeiert. Intendant Jochen Schönleber klagt im Gemeinderat über die Unterfinanzierung der Festspiele. Foto: Pfeiffer/Archiv
Kommödiantische Akzente werden stark betont. Foto: Festival Bad Wildbad
Kultur
Rossinis „L’equivoco stravagante“ wieder beim Belcanto Opera Festival
  • Rainer Wolff

Bad Wildbad. Jubiläen sind ein schöner Anlass für Rückblicke. Und so zeigt denn das Belcanto-Festival „Rossini in Wildbad“ im 30sten Jahr seines Bestehens ein Stück des „Schwans von Pesaro“, das dort schon mehrfach gezeigt wurde: „L’equivoco stravagante“. Diese hübsche Opera buffa über eine „verrückte Verwechslung“ ist ein frühes Juwel im Schaffen des Komponisten.

Immerhin handelt es sich bei dem Stück um Rossinis erste zweiaktige Oper, die 1811 uraufgeführt wurde, nachdem sie sich gegen Widerstände der Zensur durchgesetzt hatte. Die Obrigkeit nahm Anstoß an dem Einfall, das heikle Thema der kastrierten Sänger, zum Motiv einer Intrige zu machen, mit der der Bewerber um die Hand einer schönen Dame abgeschreckt werden sollte – und das mit Erfolg.

Als dem dümmlich pompösen, aber reichen Stenz Buralicchio die Fake-News zugespielt wird, seine auserwählte Ernestina sei ein verkleideter Ernestino, tritt er von seinem Ansinnen zurück. Bahn frei für den sympathischen Rivalen Ermanno, dem die durchtriebene Dienerschaft beispringt und die Braut bekommt. Ein Triumph für die gewitzten Domestiken und ihre Ränke, die sie „zwischen den Geschlechtern“ schmieden. Aber ein Skandal für das Publikum, dem ein so unerhörtes Detail moralinsauer aufstieß.

Die Inszenierung von Jochen Schönleber setzt aber gerade an diesem heiklem Punkt ihre komödiantischen Akzente. Der Männerchor schwuler Gärtner trägt kesse Schottenröcke unter der Schürze und hantiert gerne mit phallischen Gemüsen wie Bananen oder Chilischoten, der affektierte Hampelmann Buralicchio kommt als burlesker Zwitter zwischen Tunte und Macho daher, und der Diener Frontino, der am Ende unbeweibt bleibt, fällt auch schon mal ins kreischende Falsett. Das ist alles ein bisschen dick, bisweilen auch ordinär aufgetragen, steht aber im Einklang mit dem Streben der Regie nach möglichst praller Komik.

Musikalisch ist „L’equivoco“ deutlich feiner gestrickt, und José Miguel Pérez-Sierra am Pult der robust aufspielenden, wildbaderfahrenen „Virtuosi Brunenses“ bringt die Vorzüge der Komposition wirkungsvoll zur Geltung. Tatsächlich beweist der noch junge Rossini schon in diesem Frühwerk seine Meisterschaft. Zwar sind die herrlichen Arien hier noch nicht ganz so virtuos und ausgepicht wie in den späteren Bravourstücken. Aber der Abend verrät in den wundervollen Ensembles und hinreißenden Finali die musikalische Pranke des Belcanto-Löwen. Das Duett der Liebenden, Ermannos furiose Wutarie, das große Quintett des zweiten Aktes oder Ernestinas große Szene und Arie zählen zu den Höhepunkten des genussreichen Abends.

Die Aufführung ermöglicht die Begegnung mit dem fabelhaften Tenor Patrick Kabongo, der mit weicher Stimme, schöner Pianokultur und sicherer, mühelos beherrschter Höhe einen überzeugenden Ermanno singt. Neben ihm ist Antonella Colaianni mit kräftigem, dabei souverän beweglichem Mezzo eine köstlich überspannte Ernestina, die nach anfänglicher Sprödigkeit zu klingendem Liebreiz erblüht und jeglichen Transgender-Verdacht zwingend widerlegt. Emmanuel Franco als grotesk überzeichneter Buralicchio hat einige Mühe, gegen die Übermalung durch die Regie anzusingen, macht aus der Partie aber eine drastische Studie mit bemerkenswerter Virtuosität.

Neben diesen drei Protagonisten kann sich der junge, arg überforderte Bassbuffo Giulio Mastrototaro als bombastisch geblähter Brautvater Gamberetto mit vager Tonhöhe, unsauberen Läufen und forcierten Spitzen nicht recht behaupten. Eleonora Bellocci als quirlige Zofe und Sebastian Monti als schlauer Diener Frontino fügen sich schlüssig ins Ensemble, und der Górecki Chamber Choir ist mit betonter Drolligkeit und musikalischer Verlässlichkeit dabei. Die Wildbader Aufführung im Kleinen Kurtheater, ein Gastspiel der Staatsoper Russe (Bulgarien), sorgt für einen vergnüglichen Auftakt des Rossini-Festivals.

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