Kunterbunter Klamauk ist hier angesagt – die Regie setzt vehement auf Verfremdung und Übertreibung. Foto: Festival Bad Wildbad
Kultur
Farsa „La cambiale di matrimonio“ mit der Brechstange beim Festival „Rossini in Wildbad“
  • Rainer Wolff

Bad Wildbad. Ein schräger Handel, den der junge Rossini da in seinem ersten Einakter „La cambiale di matrimonio“ (Der Heiratswechsel) präsentiert. Das Belcanto-Festival „Rossini in Wildbad“ zeigt das Stückchen jetzt im Kleinen Kurtheater als turbulente Inszenierung.

Da bestellt der plumpe Kaufmann Slook aus Amerika per Post aus Übersee bei seinem englischen Kollegen Mill eine attraktive Gattin, schickt einen dicken Wechsel mit und will die Braut auch gleich abholen. Der geldgierige Brite wittert ein gutes Geschäft und bestimmt sein Töchterchen Fanni zur Handelsware. Die freilich hat sich längst in den romantischen Edoardo verliebt, und mit Hilfe der schlauen Dienerschaft gelingt es ihr schließlich durch allerlei Finten, den ungehobelten Freier von seinen anstößigen Heiratsplänen abzubringen.

Die drollige Absurdität des transatlantischen Deals wird von Rossini in köstliche Musik gesetzt und nach allen Regeln des Belcanto ausgeschmückt – mit einer schmissigen Introduktion, witzigen Plapper-Duetten, einer grandiosen Fanni-Arie, launigen Rezitativen und einem herrlichen Finale. Einige dieser Stücke hat der Komponist später etwa im „Barbier von Sevilla“ recycelt, zumal „La cambiale“ bei der Uraufführung in Venedig 1810 nicht gut lief. So hätte denn die Wildbader Präsentation des fidelen Werkes durchweg ein sommerlicher Spaß werden können, und tatsächlich entfacht Jacopo Brusa am Pult der schwungvoll spielenden „Virtuosi Brunensis“ ein spritziges Feuerwerk musikalischer Pointen und süffiger Melodien, dem GianLuca Ascheri am Tafelklavier mit witzigen Zitaten von Donizetti bis Wagner brillante Glanzlichter aufsetzt. Allerdings wird die Ohrenweide amüsanter Rossini-Schmankerln durch die Inszenierung nachhaltig getrübt. Regisseur Lorenzo Regazzo, selbst einst ein Belcanto-Sänger mit Wildbad-Erfahrung, will die Musik unbedingt durch szenisches Allotria garnieren und pfuscht dem Dirigenten wie jungen Sängerkollegen unerschrocken ins klingende Handwerk. Die übergriffige Regie setzt auf Verfremdung und Übertreibung, schiebt sich aufdringlich vor die Musik und setzt auf einen komödiantischen Schelm anderthalb klamaukige Klötze. Unter der Übermalung geht der Sinn einzelner Szenen weitgehend verloren, die Handlung zerbröselt in Witzchen, und für zusätzliche Störung sorgt der Einfall des Regisseurs, sich auch höchstselbst in das Geschehen einzumischen und so eine zusätzliche, sinnferne Ebene in die Inszenierung einzuziehen. Den Solisten macht diese Dominanz zu schaffen. Lediglich die junge Eleonora Belloci macht aus der anspruchsvollen Partie der Fanni ein Belcanto-Vergnügen und absolviert ihre Bravourarie mit solcher Verve und Kompetenz, dass selbst der Regisseur vorübergehend die Störmanöver einstellt.

Das Publikum spendete der überdehnten und allzu fürwitzig garnierten Inszenierung verhaltenen Beifall, feierte aber die Sänger, unter denen vor allem die vielversprechende Eleonora Bellocci Besseres verdient hätte, um so mehr.

Themen

KulturBad Wildbad