Wenn Dalila mit Samson baden geht
Hartnäckige Buhrufe bei der Premiere von Camille Saint-Saëns’ Werk in der Staatsoper.
Camille Saint-Saëns’ Oper "Samson et Dalila" war an der Staatsoper immer schon stiefmütterlich behandelt worden. Nun gab es am Samstag für das ausgewiesene Sängerfest mit unendlich viel melodischem Reiz ein Comeback, das aber alles andere als überzeugte, sondern in vielerlei Hinsicht enttäuschte und das Werk wieder an den Rand des Repertoires rücken wird.
So einfach die biblische Geschichte auch sein mag, so sehr die Musik das Ende des 19. Jahrhunderts beliebte exotische Kolorit mit süßlichem Parfüm des Fin de Siècle bereichert, so nüchtern ist die szenische Umsetzung dieser Produktion. Da geht es nicht darum, die Geschichte in ein unbestimmtes Heute zu verlegen, die Idee von Macht und Machterhalt und das Dafür-über-Leichen-Gehen in den Vordergrund zu rücken, sondern da geht es darum, wie das Ganze gemacht wird. Und das war nur wenig überzeugend. Alexandra Liedke bediente sich derart vieler Klischees, dass es nicht klischeehafter hätte sein können, die Oper in ihrem Exotismus zu belassen. Warum Dalila Samson im zweiten Akt im Badezimmer verführen muss, ließe sich noch erklären, sofern ein Funke an Erotik dabei zündete. Aber so stehen zwei Vollbekleidete distanziert im Raum und beschwören wie schüchterne Teenager – einander ein wenig mit Wasser bespritzend – die große Liebe.
Unbeholfene Umsetzung
Auch wenn die Liebesschwüre Dalilas nicht echt sind, oder nur dem Zweck dienen, das Geheimnis der Stärke herauszulocken, so hätte sie im wirklichen Leben niemand um den Finger gewickelt, schon gar keinen, der zwischen dieser "Sünde" und seiner göttlichen Sendung schwankt. Aber nicht nur die szenische Umsetzung (Bühnenbild Raimund Orfeo Voigt, Kostüme Su Bühler) wirkt unbeholfen, auch die Personenführung geht großteils ins Leere. Der Chor wird, um mit ihm szenisch ja nichts anfangen zu müssen, im dritten Akt einfach hingesetzt. Die massiven Buhrufe, die diese Inszenierung einstecken musste, zielten nicht unbedingt auf das Konzept ab, das durchaus denkbar wäre, sondern auf die oberflächliche, nur wenig packende Umsetzung. Leider färbt das, was auf der Bühne zu sehen ist, auch immer ein wenig auf die musikalische Seite ab. Marco Amiliato hat die Partitur mit dem Staatsopernorchester fein studiert, und dennoch bleibt er dabei mehr guter Sachwalter des Notentextes, als dass er die von Camille Saint-Saëns meisterhaft erfundenen Klangfarben wirklich inszenieren würde. Dennoch bot das Orchester eine fabelhafte Leistung und war idealer Partner für die Solisten. Allen voran Roberto Alagna, der einen großen Abend feiern konnte und als Samson restlos überzeugte. Sehr eindringlich die Verzweiflung, sich zwischen dem Gebot Gottes und der Liebe zu entscheiden. Begeisternd einfach die Intensität, die Alagna hier bereit war zu bieten.
Garancas passende Distanz
Elina Garanca wird immer eine gewisse Kühle und Distanz in der Darstellung vorgeworfen, die aber hier mehr als nur passend war. Allerdings fehlt ihr trotz aller wunderbarer Phrasierung die Tiefe, um wirklich alle Register in dieser Partie ziehen zu können. Ziemlich von der Regie alleingelassen (oder genervt?), blieb dann die Arie "Mon cœur s’ouvre à ta voix" sehr unterkühlt und hatte nicht diesen verführerischen Charme, den sie eigentlich bräuchte.
Carlos Álvarez überzeugte stimmlich als Oberpriester, hatte aber außer an einer Zigarre herumzupaffen szenisch nicht viel zu bieten. Soran Colibran (Abimélech), Dan Paul Dumitrescu (alter Hebräer), die restlichen Solisten sowie der Chor trugen wesentlich zum musikalischen Gelingen bei. Viel Applaus und Bravos für die Sänger, heftige und langanhaltende Buhrufe für eine mangelhaft umgesetzte Inszenierung.
Oper: Camille Saint-Saëns, "Samson et Dalila", Wiener Staatsoper, Premiere: 12. Mai, Info/Termine: www.wiener-staatsoper.at
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