"Samson et Dalila" an der Staatsoper: Wasserschaden mit Folgen

Alles bleibt nur hilfloses Stückwerk: Elina Garanča als Dalila und Roberto Alagna als Samson in Alexandra Liedtkes pseudo-tiefenpsychologischer Inszenierung.
"Samson et Dalila" von Camille Saint-Saëns am Ring: musikalisch gut, szenisch mau.

So ein Friseurbesuch kann ziemlich gefährlich sein. Vor allem dann, wenn man eine Art biblischer Superheld ist, dessen Kraft einzig und allein dem wallenden Haupthaar zu verdanken ist. Da reicht dann schon eine Frau, eine Schere und ein kleiner Schnitt – und aus dem mächtigen Samson wird ein geblendeter, machtloser, von seinen Gegnern verspotteter und gedemütigter Sklave.

Stückwerk

So will es zumindest Camille Saint-Saëns in seiner Oper „Samson et Dalila“, der die biblische Vorlage (aus dem „Buch der Richter“) getreu übernommen und in einen packenden Opernkrimi verwandelt hat. An der Wiener Staatsoper hat sich nun Regisseurin Alexandra Liedtke an diesem Werk versucht und ist daran gescheitert. Da helfen auch Feuer und Wasser nichts; Liedtkes Inszenierung bleibt ein teils unfreiwillig komisches Stückwerk.

Psychospielchen

Dabei ist die (leider nicht zu Ende gedachte) Grundidee gar nicht so schlecht. Liedtke interessiert sich weniger für den Kampf der geknechteten Hebräer (vertreten durch Samson) gegen die an das Götzenbild Dagon glaubenden Philister (repräsentiert durch Dalila und den Oberpriester), als vielmehr auf die Psychospielchen zwischen Mann und Frau.

Diese finden denn auch in einem Wohnzimmer (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt) samt voller Badewanne statt, in dem sich der wahrhaft liebende Samson und die emotional ambivalente Dalila einen erotisch aufgeladenen Machtkampf liefern. Dalila entlockt Samson das Geheimnis seiner Kraft, und ein göttlich gesandter Indoor-Regen setzt ein. Gebadet hat niemand, doch der Wasserschaden zeitigt fatale Folgen.

Stehtheater

Das aber ist auch schon der beste (und leider einzig intensive) Moment in einer sonst sehr holprigen Umsetzung.

Zu den Massenszenen (solide der Chor der Wiener Staatsoper) fällt der Regie gar nichts ein. Ödes Stehtheater herrscht vor. Die Balletteinlagen – hier erhält Samson ein Alter-Ego – bleiben platt; am Ende siegt die Pyrotechnik.

Ein dritter Samson, diesmal ein Stuntmen, zündet sich an, Flammen lodern aus dem Bühnenboden hervor, der Vorhang fällt. Alle sind dank Gottes Gnade (und dem Ende der Oper) tot. Das klingt banal? Ist es auch! Das Premierenpublikum reagierte großteils mit lauten Buhs.

Triumvirat

Einhelligen (und berechtigten) Jubel gab es jedoch für die musikalische Seite. Denn mit Elina Garanča (Dalila), Roberto Alagna (Samson) und Carlos Álvarez (Oberpriester) – was kommt nach der Premierenserie? – hat man am Ring ein starkes Operntriumvirat zur Verfügung.

So ist Elina Garanča der Fachwechsel in Richtung dramatisches Repertoire mehr als geglückt. Das Schicksal der Dalila macht sie mit ihrem schönen, satten, höhensicheren Mezzo vor allem vokal glaubhaft. Szenisch gehen sich die vielen Spagate regiebedingt weniger aus.

An ihrer Seite ist Roberto Alagna ein stimmlich kraftvoller, mit Spitzentönen und wunderbarer Theatralik ausgestatteter Samson. Einen Tenor wie Alagna braucht die Opernwelt einfach. Gleiches gilt für den fabelhaften Carlos Álvarez als herrlich fiesen Oberpriester (Marke James-Bond-Bösewicht), dessen viriler Bariton stets kultivierten Schöngesang verströmt. In den kleineren Partien lassen Sorin Coliban und Dan Paul Dumitrescu aufhorchen.

Größtes Atout ist aber das (sehr philharmonische) Orchester unter Marco Armiliato, der die spätromantische Partitur hinreißend, feinsinnig, oft auch hochdramatisch zum Klingen bringt.

Große Premiere an der Staatsoper

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