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Öde Oper: „Ein Maskenball“ eröffnet enttäuschend das Wiesbadener Festival

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Riccardo (Arnold Rutkowski) und Amelia (Adina Aaron) verbergen und offenbaren abwechselnd ihre Gefühle mit oder ohne Maske.
Riccardo (Arnold Rutkowski) und Amelia (Adina Aaron) verbergen und offenbaren abwechselnd ihre Gefühle mit oder ohne Maske. © Karl & Monika Forster

Die serbische Regisseurin Beka Savic brachte das Musiktheaterstück als amerikanisches Gangsterduell im Stil der 20er Jahre auf die Bühne.

Was vielversprechend begann, hätte szenisch ein großer Wurf werden können. Wäre Regisseurin Beka Savic für die aussichtslose Amour Fou zwischen Amelia und Riccardo mehr eingefallen als steifes Rampentheater. Einen derart langweiligen Bühnentod gab’s lange nicht. Riccardo, stramm, aber wenig ausdrucksvoll gesungen von Arnold Rutkowski, liegt erschossen darnieder, als er zum Schluss noch einmal wie durch ein Wunder erwacht, sich zu voller Größe aufbaut und seine Unschuld lautstark ins Halbrund schmettert. Theaterpose pur, die den emotionalen Höhepunkt von Verdis finsterer Schicksalsoper „Un ballo in maschera“ schmerzlich verschenkte.

Teilnahmsloser Tenor

Ärgerlich zudem, dass es von diesen verstaubten Operngesten bei der Eröffnungspremiere der Wiesbadener Maifestspiele noch weitere zu sehen gab. Besonders glücklos tat sich an dieser Stelle der polnische Tenor Arnold Rutkowski hervor, dem man trotz verlässlicher Stimmhöhepunkte keine Sekunde abnahm, Amelia, der Frau seines besten Freundes, verfallen zu sein. Die Art, wie er meist teilnahmslos an der Rampe stand, brachte ihm wenig Szenenapplaus und am Ende zwei Buhs ein – und das zu Recht.

Wesentlich besser kam die betörend intonierende US-Sopranistin Adina Aaron als Amelia mit der fehlenden Personenregie beim Liebestrio zurecht. Nicht nur, dass sie ihren warmen Sopran zu lyrisch leuchtenden Legatobögen aufschwingen konnte. Auch ihr schmerzliches Hin- und Hergerissensein zwischen der Treue zum eifersüchtigen Ehemann Renato und ihrer Leidenschaft für den vermeintlichen Retter Riccardo geriet meist überzeugend. Irritierend nur, dass sie zwar massiv von ihrem Geliebten bedrängt, von Mafiosi-Schergen körperlich attackiert, und von ihrem Ehemann mit dem Tod bedroht wurde, ohne dass ihre Haarwellen auch nur einen Hauch in Unordnung gerieten. Vladislav Sulimsky als Vendetta-Chef Renato legte zwar ebenfalls viel düstere Passion in seine schmelzende Baritonstimme. Pech nur, dass auch er im dritten Akt, anstatt „rasende Eifersucht“ zu zeigen, passiv auf dem Boden herumsitzen musste.

Dass die verdiente serbische Regisseurin Beka Savic, die in Wiesbaden mehrfach ihren beeindruckenden Inszenierungsstil gezeigt hat, bei aller Kritik meisterlich Chorszenen arrangieren kann und zudem jede Menge Sinn für brodelnde Dramatik hat, zeigte sie beim stimmungsvoll in Szene gesetzten Eingangschor. Mit knapp angedeuteten Gesten legte sie im Nu das untergründige Machtgefälle offen: Die Blitzlichtgewitter für den eitlen Riccardo, die naive Herzensgüte Oscars und die beginnenden Rangeleien zwischen Anhängern und gamaschentragenden Verrätern. Zum Schneiden dick auch die Luft im Ulrica-Keller: Die raffinierte Idee, Marie-Nicole Lemieux samt ihrer satten Altstimme als machtvolle Rotlicht-Chanteuse in Szene zu setzen, gelang bestechend. Die Schnelligkeit, mit der die lässige Vaudeville-Champagnerlaune von entspannt zu bedrohlich wechselte, als der Graf samt seiner Bier trinkenden Mannschaft aufkreuzte, wurde von ihr meisterlich ausgestaltet.

Dass sich am Ende doch noch mit dem Abend Frieden schließen ließ, hing nicht nur damit zusammen, dass sich Chor, Extrachor und Staatsorchester unter Albert Horne und Patrick Lange von den präzis einsetzenden Männerensembles bis hin zu den packenden Schlusstableaus bestens präpariert zeigte. Der Wiesbadener Generalmusikdirektor bewies ein ausgesprochen glückliches Händchen für die kammermusikalisch ausgestalteten Teile der Partitur. Und beim düsteren Kolorit des Galgenbergs, den dämonischen Vendetta-Szenen und den feinen Abstufungen des raffiniert instrumentierten Maskenballs zeigte Lange neben Präzision und Umsicht auch das, was dem Liebestrio gestisch so schmerzlich fehlte: maximales Gefühl.

Roben für den Ball

Auch die stilsicheren Roben der „Roaring Twenties“, entworfen von Selena Orb, ganz besonders die geheimnisvolle Maskerade beim Todesball, hatten großen Anteil am Erfolg des Abends. Ganz zu schweigen von der überragenden Kunst, mit der Luis Carvalho die soziale Schräglage des Amerika der 20er Jahre atmosphärisch auf die Bühne wuchtete: inklusive qualmender Abflussrohre, düsterer Filmplakate, schockierender Armutsszenen und einem leuchtenden Festsaal-Paravent, der die verschwenderische Aura von Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“ atmete. Die sehr gute Besetzung der Nebenrollen erwies sich vor allem in der gewohnten Natürlichkeit, mit der Gloria Rehm, sowohl bestechend singend, als auch ihre Hosenrolle des gutmütigen Oscar mit jugendlichem Leben füllend, Aufmerksamkeit auf sich zog. Aber auch Young Doo Park als diabolischer Samuel und der treuherzige Silvano Benjamin Russels trafen als Rollenporträts perfekt ins Schwarze. Am Ende applaudierte das Publikum generös: auch der Regie und vor allem dem künstlerischen Team.

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