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Einfach zu viel gewollt: Kay Voges inszeniert „Aida“ in Hannover

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Zumindest musikalisch stimmt’s: Karine Babajanyan überzeugt als Aida. - Foto: Thomas M. Jauk
Zumindest musikalisch stimmt’s: Karine Babajanyan überzeugt als Aida. © Thomas M. Jauk

Hannover - Von Ute Schalz-Laurenze. Kein Zweifel: Kay Voges, der vor vier Jahren mit einem großartig reflektierten Webern’schen „Freischütz“ beeindruckte, hat nachgedacht über Giuseppe Verdis 1871 entstandene Oper „Aida“, sehr gut nachgedacht. Wie steht es mit der Verachtung und Vernichtung anderer Völker? Was geht vor sich, wenn Sänger von heute in Rollen schlüpfen, die gar nicht mehr nachvollziehbar sind? Wie ordnen sich die persönlichen und intimen Schicksale im Massengeschehen zwischen Pharaonen und Elefanten? Diese und viele mehr sind wichtige Fragen. Aber ist das bloße Nachdenken über sie schon gutes Theater? Eher nicht.

Besonders, weil Voges den Ehrgeiz hat, alles zu zeigen, was ihm eingefallen ist – zu viel, zu unübersichtlich und letztendlich unverständlich.

Da ist zunächst einmal die Idee, die Spieler aus einer Probensituation heraustreten und den Zuschauer am Prozess, die Rolle zu finden, teilhaben zu lassen (Bühnenbild von Daniel Roskamp). Das funktioniert nicht, denn zeitgleich müssen sie ja ihre Rolle irgendwie glaubwürdig singen. So steht Aida da, ringt die Hände gen Himmel – im Duett mit Amonasro, eine der größten Vater-Tochter-Auseinandersetzungen in der Oper, sieht das immer wieder wie eine allererste Probe aus, also nicht gut. Diese Idee haut nicht nur nicht hin, sie entbindet den Regisseur leider auch von der seelischen Durchzeichnung der Figuren.

Dann spielt Voges mit der Rezeptionsgeschichte und fragt: „Wann kommen die Elefanten?“ Abgesehen davon, dass es eine derartige Erwartungshaltung längst nicht mehr gibt, macht er sich mit dieser Frage über jenes Publikum lustig, das er eigentlich aufklären will. Ganz zu schweigen von den didaktische Belehrungskeulen, die als Text eingeblendet werden: „Vor welchem Hintergrund lesen wir die Geschichte?“ Hier dürfen wird auswählen, was uns im Weltgeschehen wichtig ist. Knapp zehn Optionen gibt es da: vom Bayern-Spiel bis zu banalen Alltagsereignissen und weniger banalen politischen Katastrophen.

Je nach Auswahl erscheint dann zum Mohrentanz ein Playmobilvideo, auf dem eine Figur mit einer Fackel und immer mehr Anhängern alles Fremde anzündet. Aha. Und zwei Schlamm-Catcherinnen toben sich aus. Warum?

Zur ersten Aida-Arie gibt es schließlich ein Video mit einem immer mehr zerrissenen Gesicht. Klar, sie fühlt sich gespalten. Aber das weiß man ja. Zur ersten Radames-Arie sind dann Fotos des Traumschiffs „Aida“ zu sehen. Und im Radames-Aida-Duett im dritten Akt latscht doch noch ein Elefant über die Bühne. Lustig.

Obschon vieles in der Nachfolge des Brecht-Theaters zu verstehen ist, ist das Deutungsdurcheinander zu groß. Die Inszenierung wird gehalten und geradezu zurechtgerückt von der Musik, die man sich kaum besser vorstellen kann: Ivan Repusic und das Niedersächsische Staatsorchester spielen die Aida-Musik, nach der Verdi 16 Jahre lang keine Oper mehr geschrieben hat, in aller Zartheit, aber auch mit furioser Wildheit. Diese Wildheit puscht den eingesprungenen Tenor Georde Oniani so stark, dass ihm für das zarte Schluss-Duett die Stimme nicht mehr gehorcht.

Aber eine kraftvolle Leistung. Karine Babajanyan als Aida strahlt mit großer, gelegentlich zu vibratoreicher Stimme. Brian Davis als Amonasro leidet am meisten unter der Konzeptionslosigkeit seiner Rolle, muss pubertierend herumhampeln – und singt wunderbar. Khatuna Mikaberidze als Amneris ist der Star des Abends, so sehr gelingt es ihr, mit einer atemberaubenden Stimme alle szenischen Unberechenbarkeiten zu übersingen. Ärgerlich: die viel zu dunklen Übertitel.

Die nächsten Vorstellungen: 

17., 21. und 18. April sowie 10. und 18. Mai, Staatsoper Hannover.

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