Kein Herzoghof in Athen, sondern ein Internat. Kein Zauberwald, sondern eine Turnhalle. Keine Feen, sondern Rabauken. Und Puck? Kein rotzfrecher Kobold, sondern ein traumatisierter Außenseiter. Damiano Michieletto transponiert „A Midsummer Night’s Dream“ einfach in eine Schule. Wobei: Einfach ist das natürlich keineswegs, aber dem Venezianer gelingt eine überraschende, fast durchwegs schlüssige Verwandlung des ohnehin wandlungs- und handlungsreichen Shakespeare-Stoffs, den Benjamin Britten 1960 für seine Oper verknappte.

Der 42-jährige Regisseur, der 2012 an der Grazer Oper mit der Neudeutung von Donizettis „L’elisir d’amore“ entzückte, entwickelt seine Geschichte über eine zusätzliche psychologische Ebene: Videoprojektionen zeigen, wie Puck und seine Eltern Oberon und Tytania auf der morgendlichen Fahrt zur Schule mit dem Auto verunglücken. Vollwaise geworden, flüchtet sich der Einzelgänger (nuanciert gespielt vom Wiener Jungtalent Maresi Riegner) in Fantasien, in der er Zweifel und Verzweiflung verbergen kann.

Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? Shakespeares Welten sind ja stets ambivalent. Und Britten unterstreicht dies noch, indem er in dem fast klamaukigen Tohu und Wabohu rund um das ewige Rätsel Liebe seine Partitur, in der Harfe, Celesta und Cembalo für silbrigen Ton sorgen, immer wieder auch dunkel grundiert. Antonello Manacorda weiß das als präziser, gestaltungsstarker Dirigent zu nutzen. Dem Turiner gelingt mit den auch darstellerisch sehr präsenten St. Florianer Sängerknaben und den Wiener Symphonikern, die in dem ideenreichen Stil-Patchwork oft solistisch brillieren können, Brittens gewünschte Klangmagie jedenfalls eindringlich.

Ohren und Augen werden gleichermaßen verzaubert in dieser Märchenoper im Theater an der Wien. Denn aus einer zunächst höchst nüchternen Schulaula, aus dem Turnsaal mit Matten, Pferd und Kletterstangen führt Michielettos favorisierter Bühnenbildner Paolo Fantin allmählich in eine kaleidoskopische Welt, in der bald fast nur noch ein Wald voll tanzender Neonstangen leuchtet. Die teils fluoreszierenden Kostüme und Masken von Klaus Bruns erhöhen noch die Wirkung dieser (alb-)traumhaften Juninacht, aus der schließlich alle ernüchtert, aber glücklich erwachen dürfen.

In der laut Intendant Roland Geyer „hundertsten verschiedenen Oper seit der Wiedereröffnung 2006“ besticht Countertenor Bejun Mehta als subtiler Oberon (siehe auch rechts). Daniela Fally gibt bei ihrem bravourösen Hausdebüt die Tytania als gebrochene Mutter; die Elfenkönigin wird ja eines der Opfer jenes Zaubermittels, das Puck im Auftrag von Oberon, allerdings mutwillig verstreut – ihre Balz macht jedenfalls selbst vor dem pelzigen Monsteresel nicht halt, in den Bottom/Zettel verwandelt wird, eine Paraderolle für den kuwaitisch-deutschen Bass Tareq Nazmi.

Fast à la „Così fan tutte“ müssen die Schulhofpärchen Hermia/Lysander und Helena/Demetrius (homogen Natalia Kawalek/Rupert Charlesworth, Mirella Hagen/Tobias Greenhalgh) nach harten Prüfungen erst zueinanderfinden. Und nein, so machen’s nicht alle: Wie Regisseur Michieletto das Spiel im Spiel „Pyramus und Thisbe“ als patschertes Schultheater ablaufen lässt – diese Eselei würde wohl sogar Monty Python ein bissl neidisch machen.

Regisseur Damiano Michieletto
Regisseur Damiano Michieletto © KK/OperaVision