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Musiktheater
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Salome

Text von Richard Strauss nach dem Drama von Oscar Wilde in der Übersetzung von Hedwig Lachmann
Musik von Richard Strauss


In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Veranstaltungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere an der Staatsoper Unter den Linden am 4. März 2018


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Staatsoper Berlin
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Das Begehren des Oscar W.

Von Roberto Becker / Fotos von Monika Rittershaus

Regiealtmeister Hans Neuenfels (76) schmuggelt gerne jemanden in die Opern hinein, die er inszeniert. Und bringt u.a. damit das Publikum in Rage. Neuenfels ist allerdings auch ein Meister darin, seine Überlegungen zu den Werken auch mitzuinszenieren. Wer seine Arbeiten kennt, der ist darauf eingestellt. Auch, dass überdeutliche sexuelle Symbole eingebaut sind. Das hat er selbst in der Zauberflöte hinbekommen. Aber so skandalös, wie der Teil des Publikums meint, der jede Irritation des Gebotenen im Vergleich zu den eigenen Erwartungen für ein Sakrileg hält, war er nie. Dass sein Nabucco an der Deutschen Oper eine Welle des Hasses auslöste und auch, dass der Kopf des Propheten Mohamed in seiner Idomeneo-Inszenierung skandalisiert wurde, sagt mehr über die, die sich da so aufgeregt haben, als über den Regisseur. Der ist sich eigentlich immer treu geblieben, wenn auch etwas milder und verspielter geworden. Dass seine Rattenchöre im Bayreuther Lohengrin von Jahr zu Jahr mehr gefeiert wurden, war wohl so etwas wie eine Versöhnungsgeste - zumindest mit der Wagnergemeinde.

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Familienaufstellung der besonderen Art: Herodias und Herodes, in der Mitte Salome und rechts davon der Page und Narraboth, im „Gefängnis“ obendrüber Johanaan.

Auch bei der jüngsten Salome-Premiere an der Lindenoper in Berlin kam er mehr als glimpflich davon. Wenn das Gefängnis des Jochanaan zu einem schwebenden Riesen-Raketendildo mutiert, sieht man ihm das längst nach. Diesmal wurde der als Dichter so gefeierte wie als Schwuler im victorianischen England so geächtete Wilde hinzugefügt. Bühnenbildner Reinhard von der Thannen kündigt ihn mit einer Leuchtschrift an: "Wilde is coming". Man hätte es auch deutsch schreiben können, aber gut. Das versteht noch jeder. Christian Natter spielt ihn als gespiegeltes Alter Ego Salomes. Er trägt zwei Riesenhoden zur Schau und wird zum Helfer bei und Teil eines Changierens mit den Geschlechterrollen, um das es Neuenfels diesmal (auch) geht. Vor allem als Rahmen, in dem sich das Spiel von Begehren und Verweigerung unter der Dunstglocke einer vorherrschenden religiös verbrämten Körperfeindlichkeit entfaltet. Salome übernimmt dabei den männlich konotierten aktiven Teil. Jochanaan verweigert sich ihr und seinem eigenen Begehren. Sie steigt - mit Wildes Hilfe - aus ihrem Tüllkleid aus und tritt fortan im androgyn bis männlichen schwarzen Hosenanzug auf. Er bleibt in seinem Rock auf das weibliche Klischee festgelegt.

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Er hat deinen Namen nicht genannt ... König und Königin mit Johanaan im Rücken.

Beim Schleiertanz wird dieser Gedanke dann ins Extrem getrieben. Da bewegen sich Eros und Thanatos in der Maskierung Wildes als Tanzpartner der Salome. Deren laszive Verführungsgeste bleibt Projektion im Auge des Herodes (und der Herodias) - aber im Duett mit dem Alter Ego des Dichters (diesmal in phantasievoller SM-Maskierung) wird das bis in die Konsequenz einer Penthesilia getrieben, die den, den sie liebt, zerfleischt. Die Bühne meidet generell schwüle Sinnlichkeit, setzt auf kühle, fast analytische Klarheit. Die Kostüme - besonders das der Herodias - auf Eleganz der 20er Jahre. Bei den Juden sind die Schläfenlocken in etwas zu lange Frackschwänze übersetzt. Und der abgeschlagene Kopf des Jochanaan wird zu einer Installation von 42 Keramik-Köpfen, die wie auf einem Schachbrett hereinfahren. Einen davon zerschlägt Salome in ihrer Gier und versucht dann vergeblich, die Bruchstücke wieder zusammenzufügen. Zwischen diesen Köpfen wird sie dann (ganz klassisch wie in der Vorlage) auf Herodes Befehl hin von den Soldaten getötet.

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Ein Schleiertanz der besonderen Art

Akustisch hat die frisch renovierte Linden-Oper jetzt also auch ihren Richard-Strauss-Test bestanden. Zumindest vom ersten Rang aus gibt es nichts einzuwenden. Dass es im weiteren Vorfeld der Premiere zum Dirigentenwechsel von Zubin Mehta zu Christoph von Dohnányi kam, hatte gesundheitliche Gründe. Was dann kurz vor der Premiere den 88jährigen Dohnányi dazu trieb, aus, wie es offiziell heißt, künstlerischen Meinungsverschiedenheiten mit dem Regisseur, die Produktion zu verlassen, bleibt letztlich unklar, war das Ganze doch ein eher gemäßigter Neuenfels.

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42 Köpfe und mittendrin Salome

So aber erhielt der 24jährige ehemalige Assistent Daniel Barenboims, Thomas Guggeis, die Chance, schon die Premiere (und nicht erst wie eigentlich vorgesehen eine spätere Vorstellung) zu übernehmen. Und er nutzte sie. Jetzt kennt man den künftigen Stuttgarter Kapellmeister und verbindet seinen Namen mit einem alles in allem überzeugenden Salome-Dirigat. Beim Schlussapplaus war der Beifall für den jungen Dirigenten mit Recht besonders herzlich. Unverständlich waren die vereinzelten aber lauten Buhrufe, die die litauische Sopranistin Aušrin? Stundyt? für ihre Salome einstecken musste. Neben ihrem überzeugend intensivem Einlassen auf die Seelenerkundungen von Hans Neuenfels bot sie auch glühend lodernden Gesang, bestach mit ihren triumphierenden Höhen ohne Schärfe. Bei Thomas J. Mayer ist Jochanaan ein ziemlich vitaler Fundamentalist, der nicht nur Salome und ihrer Mutter das Fürchten lehrt. Ein Kabinettstück für sich liefern Gerhard Siegel als nervöser Herodes und Marina Prudenskaya als eloquente, blonde Herodias im eleganten Paillettenkleid. Einen starken Eindruck hinterlässt das auf Salome fixierte Schmachten des Narraboth von Nikolai Schukoff.

FAZIT

Hans Neuenfels hat sich als Regisseur, nach eigener Aussage, mit einer zum Nachdenken herausfordernden Salome von der Lindenoper und Berlin verabschiedet. Musikalisch hat die Produktion große Vorzüge und passt in das frisch renovierte Haus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Thomas Guggeis

Inszenierung
Hans Neuenfels

Mitarbeit Regie
Philipp Lossau

Bühne, Kostüme
Reinhard von der Thannen

Mitarbeit Bühne, Kostüme
Kathrin Hauer

Choreographie
Sommer Ulrickson

Licht
Stefan Bolliger

Dramaturgie
Henry Arnold
Roman Reeger


Staatskapelle Berlin


Sänger

Herodes
Gerhard Siegel

Herodias
Marina Prudenskaya

Salome
Ausrine Stundyte

Jochanaan
Thomas J. Mayer

Narrraboth
Nikolai Schukoff

Page der Herodias
Annika Schlicht

Erster Jude
Dietmar Kerschbaum

Zweiter Jude
Michael Smallwood

Dritter Jude
Linard Vrielink

Vierter Jude
Andrés Moreno García

Fünfter Jude
David Oštrek

Erster Nazarener
Adam Kutny

Zweiter Nazarener
Ulf Dirk Mädler

Erster Soldat
Arttu Kataja

Zweiter Soldat
Dominic Barberi

Ein Cappadocier
David Oštrek

Ein Sklave
Corinna Scheurle

Oscar Wilde
Christian Natter

Wachen
Ernesto Amico
Allen Boxer
Nikos Fragkou
Jonathan Heck
Maximilian Reisinger
Tom-Veit Weber



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Unter den Linden Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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