Einen Ausflug in feurige Verismowelten an einem kalten New Yorker Wintertag versprach die Metropolitan Opera mit der Matineevorstellung von Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana und Ruggero Leoncavallos Pagliacci. Gänzlich ausgeschlafen schienen zum Start allerdings weder das Orchester noch die Künstler auf der Bühne; Die ersten paar Szenen wirkten noch allzu sehr mit angezogener Handbremse absolviert. Erst ab dem "Regina coeli laetere" begann die Spannung sich lodernd aufzubauen, wobei hiermit ausdrücklich nicht die szenische Facette gemeint ist. Woran es in Sir David McVicars Regie in der Cavalleria haperte und warum Pagliacci deutlich der stärkere Teil der Inszenierung ist, darauf ging jedoch die Rezension zur Premiere dieser Wiederaufnahmeserie bereits ein, weswegen ich mich ausschließlich auf die musikalischen Aspekte der besuchten Vorstellung konzentrieren möchte.

Dirigent Nicola Luisotti wählte zum Großteil straffe Tempi, die die Dramatik gut unterstrichen und das Orchester präsentierte sich mit fein schattierter Dynamik und klanglicher Präzision, wobei kräftiges Zupacken ebenso gelang, wie weiche und gefühlsbetonte Momente voller Pathos. An einigen Stellen schien das Temperament mit Luisotti jedoch in Pagliacci durchzugehen, hier hatten es die Sänger phasenweise deutlich schwerer, über das Orchester zu kommen, als noch vor der Pause. In beiden Opern aber uneingeschränkt glänzen konnte Roberto Alagna, dessen Stimme wieder so saftig und frisch klang, wie ich es von ihm schon länger nicht mehr gehört habe. Mit endlosem Volumen, bombensicheren Höhen und differenzierter Dynamik war er unbestritten das Highlight des Nachmittags. Seinen Turiddu legte er stimmlich dabei weniger als aggressiven Heißläufer an, sondern mehr als in die Dreieckssituation gestolpertes Muttersöhnchen; Vor allem im Duett mit Santuzza wählte er dementsprechend weichere und verständnisvollere Farben, wodurch deutlich wurde, dass es diesem Turiddu nicht darum geht, Santuzza schlecht zu behandeln. Der unausweichliche Fluch ereilte ihn natürlich trotz allem, seine letzte Arie lieferte er noch herzerweichend und mit einer Extraportion Italianità ab. Nicht weniger strahlend präsentierte Alagna sich nach der Pause als Leoncavallos Canio, und wenn man nur ein überzeugendes Argument vorbringen müsste, sich eine Vorstellung der Serie anzuschauen, wäre es wohl dieses herrlich phrasierte und nuanciert gestaltete "Vesti la giubba" voll enttäuschter Verbitterung. 

An seiner Seite brauchte Ekaterina Semenchuk als Santuzza zunächst ein bisschen Anlaufzeit, bis sie die Stimme zu gewohnter Stärke anlaufen lassen konnte. Dann aber kam man in den Genuss ihres satt schimmernden Mezzos, den sie gleichermaßen souverän zu sanften Höhenflügen und herben Tiefen führte. Ihre kurze Szene nutzte Rihab Chaiebs Lola, um auf den Punkt ihre Leistung abzuliefern und mit Nachdruck auf sich und ihr warmes Timbre aufmerksam zu machen, während die Mamma Lucia von Jane Bunnell zwar durchwegs rollendeckend, aber insgesamt blass blieb. Einen nicht unbedingt bedrohlichen oder düsteren, aber strömend und mit Nachdruck gesungenen, Alfio brachte George Gagnidze auf die Bühne. Seine stärksten Momente hatte er jedoch im zweiten Teil der Vorstellung, im Prolog zu Pagliacci: Hier konnte er vor dem wunderbar glitzernden Vorhang mit ebenso glänzndem Bariton, in dem sämtliche Gefühlsregungen der folgenden Oper bereits mitschwangen, für einen besonders emotionalen Moment sorgen. Leider schienen ihm im Laufe der Matinee die stimmliche Kraft und das Volumen tendenziell abhanden zu kommen, denn immer öfter ging er im Orchesterklang unter. 

Ein ähnliches Schicksal ereilte die kurzfristig als Nedda eingesprungene Danielle Pastin, die sich nur mit ihren Spitzentönen Gehör verschaffen konnte, während es der Mittellage an der nötigen Substanz zu fehlen schien, um sich über das Orchester aufzuschwingen. Dazu kam erschwerend, dass das Timing weder mit ihren Bühnenkollegen, noch dem Graben ganz einwandfrei funktionierte. Besonders deutlich wurde dieser Umstand im Duett mit Silvio, der von Alexey Lavrov, dem zweiten Einspringer der Vorstellung, profund aber etwas grobschlächtig gesungen wurde. Weniger überbordende Leidenschaft, als der Wunsch, ihre große gemeinsame Szene respektabel zu Ende zu bringen, schwebte über den beiden Sängern. Wahrlich keine großen Opernmomente, aber angesichts des Einspringerbonus, den man den beiden zuschreiben kann, durchaus solide Leistungen. 

Eine musikalisch exzellente Cavalleria rusticana und ein Pagliacci der, wohl vor allem wegen der zwei sehr kurzfristigen Umbesetzungen, das Niveau nach der Pause nicht auf gleichem Level halten konnte, sorgten zwar für einen uneinheitlichen Gesamteindruck, wurden dank Roberto Alagna in absoluter Höchstform aber dennoch zu einer leidenschaftsgetränkten Verismo-Matinee. 

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