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Die temporeiche Witwe

Spielfreudig: Das «Lustige Witwe»-Ensemble in Biel.

Kein bunter Reigen, aber ein bunter Strauss an Ideen. Olivier Tambosi liefert mit seiner Lesart von Franz Lehárs «Die lustige Witwe» für das Theater Orchester Biel Solothurn einen Kontrapunkt zur gängigen Walzerseligkeit.

Der Regisseur und Bühnenmeister wird dabei von Kostümbildnerin Dorothee Scheiffarth, Lichtkünstler Tino Langmann sowie der exakten Choreografie von Damien Liger unterstützt.

Lehárs Streich nach dem Libretto von Victor Léon und Leo Stein wurde 1905 in Wien uraufgeführt. Der Dreiakter im Dreivierteltakt galt schon damals als gesellschaftspolitischer Weckruf. Mit der reichen Witwe Hanna Glawari steht eine selbstbestimmte Frau im Zentrum, unter Regisseur Tambosi hält sie die Witwenjäger noch straffer an der Leine.

Die Lovestory, die sich in einer fiktiven Balkanbotschaft in Paris entspinnt, ist mit Satire gewürzt. Dem Operettenstaat Pontevedro droht die Pleite, Glawari soll den Bankrott abwenden. Doch die Lippen der Witwe und des Grafen schweigen vorerst: Wenn da nur nicht Hannas Millionen und Danilos Maxim-Grisetten wären.

Mit knappem «Bidschee»

Tambosi richtet den Fokus auf den Geschlechterkampf und stellt das Spiel auf dieselbe Stufe wie die Musik. Das drückt sich auch in der Zurückhaltung bezüglich Pomp aus. Es sind vor allem die Schauspieler und Sänger, die Akzente setzen – und das mehrsprachig.

Der Dienstmann mit Hans-Moser-Attitüde jammert mit slawischem Akzent vom knappen «Bidschee», bei den Dialogen und selbst im Gesang wird behände zwischen Deutsch und Französisch changiert. Die Väter in dieser Klamotte tragen dunkle Anzüge und Melone, die Witwe ködert im Marlene-Frack. Einzig die schöne Valencienne lässt exhibitionistisch das Dessous unter dem Trenchcoat aufblitzen.

Herrenballett und Gainsbourg

Das minimalistische Bühnenbild, bei dem eine Showtreppe multifunktional eingesetzt wird, nimmt das Schwarzweissdenken patriarchaler Konventionen mittels Karos auf. Tambosis Perspektive ist gespickt mit dreisten Sprüchen und Verweisen zur ­aktuellen Sexismusdebatte. Die Aktaufnahmen einstiger Pin-up-Girls repräsentieren vergangenen Variété-Charme, Graf Danilo hebt sich mit Schwung vom gestelzten Gestus eines Johannes Heesters ab.

Die joyeuse Chose legt nach dem ersten Akt noch an Fahrt zu. Wenn die Pontevedro-Truppe im Ballfummel die Heimat besingt, kratzen Einschübe um häuslichen Missbrauch an der folkloristischen Fassade.

Das «Schwitzkasterl» aus dem Norden bringt die erhitzten Gemüter zusätzlich in Wallung, und als ­wäre der Wechsel vom Tanzsaal in die Saunalandschaft nicht genug, werden die Liedzeilen zum «Studium der Weiber» feministisch umgetextet.

Statt Striptease mit Lolo und Jou-Jou gibts ein Herrenballett im Tutu. Das Adieu an herkömmliche Rollenmuster wird vom neuen Mann lustvoll zelebriert und gipfelt in der gehauchten Gainsbourg-Ballade «Je t'aime».

Das spielfreudige Ensemble, mit einer stimmlich facetten­reichen Christiane Boesiger als Hanna, einem ungestümen Christian Manuel Oliveira als Danilo und einem zackigen Mario Gremlich als Baron, kostet die Fahrt ins Happy End genüsslich aus. Lyrischer Tenorzauber kommt von André Gass als Ca­mille, perlender Schöngesang von Sopranistin Andrea Jiménez als Valencienne.

Das Sinfonie Orchester Biel-Solothurn unter Jérôme Pillement gestaltet diese Operette und ihre Gassenhauer mit schäumender Verve. Das Premierenpublikum honorierte die Gesamtleistung entsprechend enthusiastisch.

«Die lustige Witwe»: Theater Orchester Biel-Solothurn. Bis 23. März.