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Oper „Salome“ von Richard Strauss in Hannover

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Annemarie Kremer als Salome - Foto: Thomas M. Jauk
Annemarie Kremer als Salome. © Thomas M. Jauk

Hannover - Von Ute Schalz-Laurenze. In 1.000 Farben komponierte Richard Strauss 1905 Musik über ein eher abstoßendes Thema nach Oscar Wilde: seine Oper „Salome“. Die 16-jährige judäische Prinzessin Salome verliebt sich in den Propheten Jochanaan und fordert aus Rache, weil der sie nicht will, seinen Kopf auf einem Silbertablett. Das gewährt ihr der von Rom eingesetzte Tetrarch Herodes, der ihr hörig ist und in ihrer Schuld steht, weil sie für ihn getanzt hat.

In Hannover hat jetzt Ingo Kerkhof das Werk inszeniert, der auf alle Ausstattung verzichtet: Es gibt keine Terrasse am Palast des Herodes, keine entsprechenden Kostüme, die Protagonisten der ersten Szene stehen sich auf dem ersten Rang in schwarzen Anzügen gegenüber. Salome steht ganz hinten in einem Lichtschlitz, in den sie auch am Ende wieder verschwindet. Der Verzicht auf Requisiten gibt dem Regisseur die Möglichkeit, sich allein mit der Psychologie der Rollen zu beschäftigen. Und diese Möglichkeit nutzt er voll.

Auch der Wüstenprediger Jochanaan: Keiner Zisterne entsteigt er, sondern ist einfach da, wie eine Erscheinung. So kann sich das erste Duett zwischen den Salome und ihm ambivalent entwickeln: Beide kritisieren den korrupten Staat, und Jochanaan läßt Salome nah an sich heran. Aber eben nicht ganz, da muss sie sich wie ein Äffchen an ihm festklammern, bis er sie abschüttelt und einen beleidigten, rachsüchtigen Teenager hinterläßt.

Psychogeschichte voller Spannung

Es gelingt den Sängern, aus diesem skelettartigen Ansatz eine Psychogeschichte voller Spannung zu gestalten, die keine Sekunde nachlässt. An erster Stelle steht hier die niederländische Sopranistin Annemarie Kremer, die mit phänomenaler Stimmkraft und ebenso starker Gestaltung der pubertären Göre die Reife einer Frau zukommen läßt, die um die Liebe weiß. Der Komponist wünschte sich ein „Kind mit Isoldenstimme“. Kremer fängt Salomes gebrochene und vielschichtige Persönlichkeit ein: die verliebte Kindfrau, die ordinäre, von ihrer Mutter Herodias unterstützte Königstochter, die weltentrückt Wahnsinnige.

Robert Küntzli als angstschlotternder Herodes („Es wird Schreckliches geschehen“) steigert stimmlich und darstellerisch mehr als spannend die wachsende, am Ende überschwappende Emotionalität, Katuna Mikaberidze entlockt der Herodias viele Aspekte ihrer zerrütteten Ehe, und Brian Davis als Jochanaan vermeidet alles Salbungsvolle, betont mit wunderbarer Stimme die Ambivalenz zwischen Vision und Wirklichkeit. Zu einem wirklichen Mann wird er erst als Kopf, wenn Salome ihre Liebe offenbart.

Den „Tanz der sieben Schleier“ gibt es nicht; Salome treibt den ganzen Hofstaat inklusive Herodes und Herodias stattdessen in eine Orgie („Betriebsparty auf einer Vorstandsetage“ hat Kerkhof seine Lösung bezeichnet). Das ist geschmackvoll und gut gemacht, hat auch etwas Karikaturhaftes. Nicht zuletzt: Ebenso wild wie makellos tänzeln und glitzern die unerhörten Orchesterfarben, die das Niedersächsische Staatsorchester unter der Leitung von Ivan Repuic zaubert. Ein großer Abend.

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