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Musiktheater
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Salome

Musikdrama in einem Aufzug
nach dem Drama Salomé von Oscar Wilde in der Übersetzung von Hedwig Lachmann
Libretto und Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde 30 Minuten (keine Pause)

Premiere in der Staatsoper Hannover am 18. November  2017

 



Staatsoper Hannover
(Homepage)

Hochnotpeinlich

Von Bernd Stopka / Fotos von Thomas M. Jauk

Markus 6
21 Und als ein geeigneter Tag kam, als Herodes an seinem Geburtstag seinen Großen und den Obersten und den Vornehmsten von Galiläa ein Gastmahl machte, 22 und ihre, der Herodias, Tochter hereinkam und tanzte, gefiel sie dem Herodes und denen, die mit zu Tische lagen. Und der König sprach zu dem Mädchen: Bitte von mir, was irgend du willst, und ich werde es dir geben. 23 Und er schwur ihr: Was irgend du von mir bitten wirst, werde ich dir geben, bis zur Hälfte meines Reiches. 24 Sie aber ging hinaus und sagte ihrer Mutter: Um was soll ich bitten? Diese aber sprach: Um das Haupt Johannes' des Täufers. 25 Und sie ging sogleich mit Eile zu dem König hinein und bat und sagte: Ich will, dass du mir sofort auf einer Schüssel das Haupt Johannes' des Täufers gibst. 26 Und der König wurde sehr betrübt; doch um der Eide und um derer willen, die mit zu Tische lagen, wollte er sie nicht zurückweisen. 27 Und sogleich schickte der König einen von der Leibwache und befahl, sein Haupt zu bringen. 28 Der aber ging hin und enthauptete ihn im Gefängnis; und er brachte sein Haupt auf einer Schüssel und gab es dem Mädchen, und das Mädchen gab es ihrer Mutter.

Matthäus 14
6 Als aber der Geburtstag des Herodes begangen wurde, tanzte die Tochter der Herodias vor ihnen, und sie gefiel dem Herodes; 7 weshalb er mit einem Eid zusagte, ihr zu geben, um was irgend sie bitten würde. 8 Sie aber, von ihrer Mutter angewiesen, sagt: Gib mir hier auf einer Schüssel das Haupt Johannes' des Täufers. 9 Und der König wurde traurig; aber um der Eide und um derer willen, die mit zu Tische lagen, befahl er es zu geben. 10 Und er sandte hin und ließ den Johannes im Gefängnis enthaupten. 11 Und sein Haupt wurde auf einer Schüssel gebracht und dem Mädchen gegeben, und sie brachte es ihrer Mutter.

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Annemarie Kremer (Salome), Brian Davis (Jochanaan)

So findet sich die Geschichte Salomes, Herodes‘, seiner Gattin Herodias und Johannes des Täufers im Neuen Testament, die Oscar Wilde unter Verwendung weiterer Quellen zu seinem grandiosen Schauspiel Salome verarbeitete und das Richard Strauss als Grundlage zu seiner genialen Oper gleichen Namens diente. Eine vielschichtige Handlung, kongenial mit Musik zur Oper vervollkommnet, die von Siegfried Wagner als „ohrenzerreißende Sauerei“ bezeichnet worden sein soll.

An der Staatsoper Hannover hat Regisseur Ingo Kerkhof den Einakter neu inszeniert und mit Kostümen von Inge Medert in die Neuzeit versetzt. Anne Neuser hat dazu einen einfachen Bühnenraum geschaffen, der stark kontrastierend hinten durch einen Fadenvorhang und vorn durch eine immer mal wieder herunterfahrende Steinwand begrenzt wird. An den Seiten wird Theatertechnik in Form von Beleuchtungselemente sichtbar. Es ist ein offener Raum, der zum Zuschauer noch weiter geöffnet wird, in dem die Beobachter des Beginns (Narraboth, Page, Soldaten und ein Kappadozier) aus dem Zuschauerraum, vom Rand des ersten Ranges und von vor der ersten Reihe aus singen. Salome erscheint allein auf der Bühne, der sich als ihr Raum gewordenes Seelenleben darzustellen scheint. Doch das erinnert wohl zu sehr an die geniale La Traviata-Inszenierung in diesem Haus und wird schnell aufgeweicht.

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Robert Künzli (Herodes), Ensemble

Es bleibt der karge Bühnenraum, indem eine schon recht frauliche Salome einen sehr menschlichen Jochanaan zu verführen sucht. Diese beiden Uminterpretationen der Charaktere bilden den wesentlichen Ansatz der Inszenierung – und ihr wesentliches Problem. Wenn der Täufer nicht wie eine Marmorsäule standfest und geradeheraus Glauben und Wahrheit verkündet, sondern Salome berührt, in den Armen hält, sich begrabschen lässt und dergleichen – dann wird nicht nur die Passage in deren Schlussgesang „Du hast deinen Gott gesehn, Jochanaan, aber mich, mich, hast du nie gesehn. Hättest du mich gesehn, du hättest mich geliebt!“ ihres Sinns beraubt, sondern dem ganzen Drama ein Stück Inhalt genommen: der Reiz des Unnahbaren, des Unberührbaren. Ganz abgesehen davon, dass das szenische gezeigte Gegenteil als Verstärkung der wirklichen Aussage doch irgendwie nur als Theorie und weniger in der Praxis überzeugt. „Ich will dich nicht ansehn“ singt Jochanaan und dreht Salomes Kopf in seinen Blick.

Reiz fehlt dieser ganzen Inszenierung, die über weite Strecken wenig Faszinierendes, viel Langweilendes und einiges Ärgerliche zeigt. Noch allein auf der Bühne hält sich Salome die Hände vor die Augen, wenn sie singt „Wie schwarz es da drunten ist!“. Aha, wir sind also in ihrer Seele. Schattenspiele in der Salome/Jochanaan-Szene wirken ebenso bemüht wie das viele Blut, dass zuerst aus Narraboths aufgeschnittenen Armen und später aus Jochanaans abgeschlagenem Kopf fließt. Albern und einfallslos erscheinen die Papphütchen auf den Köpfen von Herodes‘ Partygästen (wären sie Ersatz für Kippas der fünf streitenden Juden, hätte das ja noch einen ironischen Aspekt). Wenn sie von einem singen, der Wasser zu Wein verwandeln kann, denkt sich wohl einer, dass er das andersherum auch kann – und erleichtert sich gegen die linke Szenenbegrenzung. Aber das ist weder das Platteste noch das Peinlichste. Zum peinlichen Höhepunkt, ja geradezu zur Orgie des Fremdschämens wird der „Tanz der sieben Schleier“, der als Gruppenchoreographie mit Männern in Frauenkleidern, einem Blinde-Kuh-Spiel mit Herodes und viel Rock-Gewusel daherkommt. Hochnotpeinlich.

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Annemarie Kremer (Salome), Edward Mout (4. Jude)

Salome hat in dieser Interpretation nichts Kindliches, nichts Mädchenhaftes, nichts Reizvolles und auch nichts Erotisches. Sie wirkt wie eine selbstbewusste erwachsene Frau, die davon
gelangweilt ist, schon alles zu kennen und daher Neues, Verbotenes entdecken will. Aber ohne wirkliches Interesse, eher aus zickiger Langeweile heraus. Am Ende gerät sie immer tiefer in einen Wahn, der sie sich mit Jochanaans Blut beschmieren und seinen Mund geradezu abschlecken lässt. Annemarie Kremer verkörpert dieses Charakterbild der Salome überzeugend und versucht dies auch mit Ausdrucksintensität stimmlich umzusetzen, schreit, stöhnt, deklamiert (vor allem in der Tiefe) und geht dabei insbesondere in Sachen Intonation recht frei mit der notierten Partie um. Aber liegt nicht ein ganz besonderer Reiz bei Strauss‘ mutigsten Werken darin, dass die harmonisch kühnste Musik auch mit Stimmkultur gesungen sein will?
Selbige verströmt Brian Davis im Überfluss und tönt mächtig gewaltig als warnender Jochanaan, dem einerseits durch die oben beschriebene Charakterisierung ein Teil seiner Würde genommen wird und andererseits ein Teil des Stimmklangs, wenn seine Warngesänge zu Beginn und am Ende über Lautsprecher eingespielt werden. Das wirkt zwar unheimlich, ja dämonisch, ärgert aber auch, weil man diese großartige Stimme einfach lieber live hören möchte. Robert Künzli singt den Herodes mit heldentenoralem Glanz und verschmitzter Lüsternheit. Stimmlich und darstellerisch gleichermaßen eine starke Darstellung eines schwachen Charakters. Khatuna Mikaberidze ist offensichtlich dazu verdonnert, die Herodias mit den typischen unnatürlichen Operngesten darzustellen. Lediglich am Schluss, wenn Herodes versucht, Salome alle möglichen anderen Geschenke an Stelle des abgeschlagenen Hauptes schmackhaft zu machen, darf sie ironisch die weißen Pfauen imitieren und den ungeliebten Gatten verspotten. Da wird die Figur aufgewertet und es zeigt sich die Stärke dieser Frau, die nach der Bibel-Quelle ihre Tochter dazu aufgestachelt hat, Jochanaans Haupt, also einen Tod, zu verlangen. Als Narraboth lässt Simon Bode seinen stimmstarken Tenor ertönen und Hanna Larissa Naujoks ist ein wohlklingender Page. Martin Rainer Leipoldt und Edward Mout als erster und vierter Jude lassen aufhorchen.

Die wirkliche Leidenschaft dieser Salome tönt mit Wucht und Macht aus dem Orchester, das Ivan Repušić zu einer schwelgerischen, sich immer wieder aufbäumenden und dabei der Partitur gehorchend dienenden Höchstleistung in allen Farben und Ausdrucksformen animiert. Das ist Strauss vom Allerfeinsten und Leidenschaftlichsten.
 

FAZIT

Ein grandioses Dirigat rettet dieser Salome den Hals. Szenisch ist sie mehr als enttäuschend und ein Musterbeispiel dafür, dass eine kurze Oper sehr lang werden kann.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ivan Repušić

Inszenierung
Ingo Kerkhof

Bühne
Anne Neuser

Kostüme
Inge Medert

Licht
Elana Siberski

Choreographie
Mathias Brühlmann

Dramaturgie
Klaus Angermann

 

Niedersächsisches
Staatsorchester Hannover


Solisten

Herodes
Robert Künzli

Herodias
Khatuna Mikaberidze

Salome
Annemarie Kremer

Jochanaan
Brian Davis

Narraboth
Simon Bode

Ein Page
Hanna Larissa Naujoks

1. Jude
Martin Rainer Leipoldt

2. Jude
Pawel Brozek

3. Jude
Uwe Gottswinter

4. Jude
Edward Mout

5. Jude
Michael Dries

1. Nazarener
Daniel Eggert

2. Nazarener
Byung Kweon Jun

1. Soldat
Frank Schneiders

2. Soldat
Jong-Soo Ko

Ein Cappadocier
Gihoon Kim

Ein Sklave
Marlene Gaßner



Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Staatsoper Hannover
(Homepage)




Da capo al Fine

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