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Oper: Der Graf verführt nur seine eigene Gattin

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Katharina Persicke nimmt ein Bad und muss im Liegen singen.
Katharina Persicke nimmt ein Bad und muss im Liegen singen. © Copyright: Wolfgang Runkel

„Dove sono i bei momenti“ – Wo sind die schönen Augenblicke, der Zärtlichkeit, der Freude?, singt die von Ihrem Gatten hintergangene Gräfin Almaviva. Mozart erfand für diese Worte Lorenzo da Pontes eine seiner schönsten Melodien.

Zumindest die Musik aus dem Orchestergraben war in der Produktion auf Mozart-Niveau. Am Staatstheater ist „Le Nozze di Figaro“ jetzt neu zu sehen, als Übernahme einer Produktion der Oper Köln. Was um alles in der Welt mag die Regisseurin Emmanuelle Bastet veranlasst haben, die Sängerin, hier die wunderbare Katharina Persicke als Gräfin Almaviva, in einem weitgehend leeren Raum auf den Boden legen und gymnastische Übungen ausführen zu lassen? Susanna, Kammerzofe der Gräfin (ebenso hinreißend gesungen von Jana Baumeister) hat es leichter, sie darf „ihre“ berühmte Sehnsuchtsarie „Deh, vieni non tardar“ (Zögere nicht, komm, schöne Freude) im vierten Akt im Stehen singen. Da ist es schon dunkel, und das Verwirrspiel, auf das man drei Akte lang warten musste, ist nun endlich in Gang.

In weißen Gewändern (Tim Northam) sind alle Beteiligten gleich, Spiegel und spanische Wände bieten Platz zum Verstecken, Dabeisein und Nichtgesehenwerden. Die Drahtzieher huschen herum. Großartig das Finale: mit den letzten Akkorden fliegen alle durch die vielen Türen in den floral tapezierten Wänden, nur einer nicht – Cherubino (anrührend: Xiaoyi Xu). Aus der bis dahin erzählten Geschichte ergibt sich nicht, warum.

Halb Kind, halb Mann

Bastet inszeniert keinen „tollen Tag“ (so der Untertitel der 1786 uraufgeführten Oper), keine turbulente Komödie, aber auch kein aufrührerisches Stück (es geht um die Beschneidung eines Adels-Vorrechtes: der Entjungferung in der ersten Nacht) und schon gar nicht eine Oper, die die einzelnen Personen unter die Lupe nimmt.

Figaro möchte mit allen Mitteln ans Ziel und rasch Susanna heiraten – welche Geschichten aus seiner Vergangenheit stellen sich da in den Weg? Georg Festl singt ihn kernig und grob, keineswegs doppelbödig oder hinterlistig. Graf Almaviva wird an der Nase herumgeführt und verführt schließlich seine eigene Gattin – die Pointe sitzt nicht, weil auch David Pichlmaier, ein angenehm tenoral gefärbter Bariton, recht eindimensional agiert. Die Gräfin und Susanna singen wunderbar, geschmeidig, nicht mit großen, aber angenehmen und verletzlichen Stimmen – richtig in die Hand nehmen wollen sie ihr Schicksal aber auch nicht. Und dann eben Cherubino, diese ominöse Hosenrolle, halb Kind, halb Mann, die von unerfüllter Liebe singt und die Konventionen sprengen könnte. Zuverlässig chargieren Katrin Gerstenberger (Marcellina), Seokhoon Moon (Bartolo), Olivia Young (Barbarina) und weitere. Die Ödnis der Räume (Matratzen im ersten, eine Badewanne im zweiten, Sofas im dritten Akt möblieren die kalt ausgeleuchtete Bühne dürftig) füllt eine ausgezeichnete Orchesterleistung: straff, federnd, farbig, einfühlsam begleitend, hier und da zu stürmisch. Rubén Dubrovsky hat alles gut im Griff, ebenso der Mann am Hammerklavier: Giacomo Marignani. Szenenbeifall gibt’s für einzelne Gesangsleistungen und für eine Szene im dritten Akt: Marcellina und Basilio stellen fest, dass sie Figaros Eltern sind. Da muss man sich erstmal setzen, Sofas stehen ja herum. Auch Figaro nimmt Platz, Susanna dann auch. Ein plötzliches, biedermeierliches Familienbild. Einmal Schmunzeln ist bei dieser herrlichen, turbulenten und doch tiefgründigen Oper aber zu wenig, zumal man die Produktion aus Dispositionsgründen einkaufen musste und nun statt einer hauseigenen „Zauberflöte“ spielt. Die hauseigene Musik reißt’s aber raus.

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