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Kein Verbrechen

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In guter Haltung: Szene aus ?Footloose?.
In guter Haltung: Szene aus ?Footloose?. © Copyright: Wolfgang Runkel

Das Staatstheater Darmstadt zeigt das Musical „Footloose“ nach dem Film von 1984.

Dancing is not a crime“: Konsensfähiger Satz? Naja, nicht in Bomont, einem Kaff irgendwo in den USA; dort spielt der Film „Footloose“. Oder in Elmore City, Oklahoma, dem realen Vorbild der Story, wo bis 1980 Tanzen verboten war. Dass auch Darmstadt an manchen Tagen Tanzflächen theoretisch tabu bleiben – am Karfreitag zum Beispiel –, reicht das, um die Musicalfassung des Films im Staatstheater aufzuführen?

Gut, da geht es auch um Tanz als Freiheitsmetapher, um persönlichen Mut. Und dann ist da auch noch die Psycho-Ebene: Hauptfigur Ren McCormack, vom Vater verlassen, findet aufgrund dieser Einsamkeit Zugang zum tanzkritischen Reverend Shaw Moore, dessen Sohn bei einem Unfall nach einer – aha! – Tanzveranstaltung zu Tode kam.

Der Film war 1984 ein Hit und der Durchbruch für Kevin Bacon. In Darmstadt nun bringt ein junges Ensemble eine farbenfrohe, lebendige, energiereiche und technisch ausgeklügelte Fassung auf die selten still stehende Drehbühne. Sängerische und tänzerische Leistungen sind durchweg beeindruckend, von Lucas Baier als Ren und Sybille Lambrich als Pfarrerstochter Ariel Moore (ja, die beiden werden ein Paar) über Jan Rekeszus als üblen Draufgänger Chuck bis zu den Jungs und Mädels der Bomont High.

Hervorzuheben sind Benjamin Sommerfeld und Beatrice Reece als Buffo-Paar Willard und Rusty: er das ungelenke Mamasöhnchen mit zwei linken Füßen, sie die korpulente Ulknudel mit Bombenstimme und Drive auf dem Dancefloor. Als Reverend ist Michael Pegher zwar arg jung, aber sein klangschöner Tenor lindert die Härte der Rolle und so die Drastik der Wandlung vom Sittenwächter-Saulus zum Pop-Paulus.

Die Choreografien von Sabine Arthold halten die Waage zwischen dem Dilettantismus von Kids, die laut Handlung noch nie getanzt haben, und den Schauwerten, nach denen das Genre verlangt. Vieles passiert gleichzeitig in diesen detailreichen Tableaus. Die Bühne von Dirk Hofacker öffnet mit Dreh- und Schiebelementen, mit abgehängten Abschnitten und Projektionen die ganze Kleinstadt als imaginären Spielraum und ermöglicht fast filmische Übergänge zwischen Szenen – Kulissen- statt Kamerafahrt.

Regisseur Erik Petersen schafft eine dichte Atmosphäre, getrieben von der Musik aus dem Orchestergraben unter der Leitung von Michael Nündel. Ein bisschen Tiefgang könnten die Charaktere selbst in einem Musical noch zulegen. Wenn Ariel Ren fast aus Versehen eröffnet, dass ihr Bruder unter den Verunglückten war, wirkt seine Reaktion seltsam unbeteiligt. Wenn Rens Mutter Ethel (Ingrid Katzengruber) ihrem Sohn rät, das emotionale Gespräch mit dem Reverend zu suchen, offenbart sie eine Einsicht in die Gemütslage beider Männer, die sich in der oberflächlichen Gestik nicht spiegelt.

Vielleicht reifen die Charaktere nach der Premiere noch nach und beleuchten die Schichten hinter der Story. Bis dahin sind Tanz und Gesang, der unverwüstliche Titelsong und der Bonnie-Tyler-Klassiker „I Need a Hero“ ausreichende Gründe für einen Besuch des Stücks. Und ganz nebenbei führte „Footloose“ den Rap in die Musical-Literatur ein – mit der Nummer „Dancing Is Not a Crime“.

Staatstheater Darmstadt.
6., 12., 20., 27. Oktober.
www.staatstheater-darmstadt.de

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