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Alexander Voigt, Daniela Gerstenmeyer. Foto: Lutz Edelhoff
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Vorhang auf und viele Fragen offen – Mozarts Zauberflöte in Erfurt

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Es ist pure Koketterie wenn Regisseurin Sandra Leupold im Gespräch mit dem aktuellen Theater-Magazin der Erfurter Oper einräumt, dass man es mit dem Inszenieren der Zauberflöte eigentlich nur falsch machen kann. Genau das will keiner. Weder machen noch sehen. Ob man Mozarts größten Erfolg über die Jahrhunderte hinweg nun besonders mag, oder doch mehr das DaPonte-Trio, die Entführung oder seine Seria-Opern – wirklich kaputt kriegt man die „Zauberflöte“ nicht.

Schon wegen der Auftritte der Königin der Nacht und des Vogelfängers Papageno. Exklusiv etwas für Groß und für Klein. Phantastische große Robe und buntes Gefieder. Da durfte die Fantasie der Kostümbildner schon immer ins Kraut schießen. Auch Ausstatterin Jessica Rockstroh greift in diese Kiste – übertreibt dann aber gleich und macht Papageno zum nachgebauten Piepmatz. Der Königin der Nacht billigt sie neben apartem Kopfputz samt Schleier einen so gewaltigen mitternachtsblauen Reifrock zu, dass sich die verängstigte Pamina mühelos darunter verstecken kann. Die Auftritte dieser Beiden sind unabhängig vom szenischen Rahmen drumherum allemal Höhepunkte einer Zauberflöte. Wenn sie vokal sitzen. Dafür sind Christina Rümann und Máté Sólyom-Nagy in Erfurt die besten Anwälte. Sie fasziniert mit beglückend dosierten, glasklaren Koloraturen. Er mit geschmeidiger Eloquenz, in die auch die gesprochenen Passagen einbezogen sind. 

Wenn diese Flanken stimmen, dann nimmt auch der Zauberflötenskeptiker den nur für die wirklich „Eingeweihten“ nachvollziehbaren Prüfungsstress für Pamina und Tamino hin. Ebenso das ganze Brimborium, mit dem Sarastro in einem Reich herrscht, das er für überlegen erklärt, um daraus das Recht abzuleiten, Leute festzuhalten, die Fußsohlen peitschen zu lassen oder die Königin der Nacht und ihr Gefolge zu vernichten. Wie nach gelobtem Land von Vernunft, Weisheit und Güte klingt es nicht, was da verkündet und praktiziert wird. Obendrein ist „Ein Weib tut wenig, plaudert viel…..“ der herrschende Konsens. Auch wenn das hierzulande und heutzutage von selbst als Parodie durchgeht, so bleibt es frauenfeindlich. Zwischendrin: die drei Damen, die zwar der Königin dienen, aber durchaus auf den Prinzen abfahren und die drei Knaben, die Fremdenführer spielen und immer dann dazwischen Trällern, wenn sie gebraucht werden. Von den wilden Tieren und der Wunderflöte und dem Glockenspiel ganz zu schweigen. Es ist ein ziemlicher Mix aus allem Möglichen, mit dem Emanuel Schikaneder und Wolfgang Amadeus Mozart 1791 Kasse gemacht haben. 

Regisseurin Sandra Leupold beginnt mit dem historischen Kontext. Der Vorhang bleibt noch zu, wenn die scheidende Erfurter Orchesterchefin Joana Mallwitz ihre hochsouveräne und mitreißende Zauberflöten-Exkursion beginnt und dabei imponierend die Balance zwischen tiefem Ernst und spielerischer Leichtigkeit hält. Wenn der sich öffnet, sehen wir eine Vorstadt-Jahrmarktsbühne wie sie durchaus für die Zauberflöte einst in der Wiener Vorstadt gezimmert worden sein könnte. Auch die Zuschauer sehen nach Oper fürs Volk von anno dazumal aus. Da die Bühne auf der Bühne leicht zur Seite gedreht ist, können wir zusehen wie an den Stippen für den Wechsel der Prospekte gezogen wird. Und wie die Königin der Nacht, schon etwas vor der Zeit dahinter, auf ihren Diven-Auftritt wartet. Ein vielversprechender Auftakt mit Opulenz und Hintersinn, der dann freilich nicht eingelöst wird. Sicher ist es ein Moment der Verstörung, wenn das Publikum von damals in die Gesichter des Publikums von heute blickt. Auch geht Leupold Sarastros Eigenpropaganda nicht auf den Leim. Sie stellt Bart Driessen auf der jetzt leeren, nur noch von einem Rundhorizont für bedeutungsschwangeres Schattenspiel begrenzten Bühne, im wahrsten Sinne des Wortes auf einen Sockel. So, als wär’s ein Denkmal Immanuel Kants. Während seine Leute als Zombies im Halbdunkel herumtappen und aussehen wie lädierte, ausrangierte Soldaten aus der Armee des Alten Fritzen (bei dem die ja auch schon mal per ordre zu Schulmeistern wurden). Um dann durch den Zuschauerraum nach draußen zu geistern. Der Schriftzug „Mann und Frau und Frau und Mann reichen an die Gottheit ran ?“ am Rundhorizont als (Gegen-)Statement zu Sarastros merkwürdig erstarrter Diktatur, ist dann doch ein etwas mager. Selbst mit dem vielsagend weiterführenden Fragezeichen dahinter.

Solche Einfälle verpuffen, weil an diesem langen Abend quasi alle auf der Bremse stehen. Trotz Dampf und Feuer kein wirkliches Tempo aufkommt. So sehr sich Tamino (Won Whi Choi) und Pamina (Daniela Gerstenmeyer), Margrethe Fredheim, Stéphanie Müther und Katja Bildt (als Damen der Königin) in ihrem Witwenoutfit oder Alexander Voigt als schwarz angemalter Monostatos abmühen, oder die drei Knaben sich in luftiger Höhe abstrampeln. Das Pulver an Opulenz und Spielwitz ist mit dem Verschwinden der Bretterbühne verschossen. Joana Mallwitz muss mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt gegen eine alles in allem ziemlich lähmende Szene anmusizieren. Im Bunde mit den Sängern gelingt ihr das und rettet den Abend.

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