PREMIERE: Die Angst vor der Liebe

Mit der Oper «Die Gezeichneten» von Franz Schreker startete das Theater St. Gallen gestern Abend opulent in die neue Opernsaison. Die Inszenierung von Antony McDonald setzt auf das ordnende Element in der psychologisch vielschichtigen Handlung.

Martin Preisser
Drucken
Andreas Conrad als Alviano Salvago (im roten Mantel) ist eine der beiden begeisternden Männerfiguren der «Gezeichneten». (Bild: Iko Freese)

Andreas Conrad als Alviano Salvago (im roten Mantel) ist eine der beiden begeisternden Männerfiguren der «Gezeichneten». (Bild: Iko Freese)

Martin Preisser

Ein wirklich lohnendes und vom Premierenpublikum bejubeltes Unterfangen, die neue Saison mit einer Rarität zu starten! Franz Schrekers «Die Gezeichneten» gerieten zu einem packenden Opernabend mit einer faszinierend vielschichtigen und farbigen Musik. Und es war der Abend von Claude Eichenberger als herzkranke Malerin Carlotta, die diese schwierige Partie bravourös und absolut souverän meisterte. Mit grossem stimmlichem Variationsreichtum hielt sie die Fäden des Dramas um ihre beiden Liebhaber in der Hand. Andreas Conrad als Salvago lebte seine Liebesverrücktheit dabei ebenso virtuos aus wie Jordan Shanahan als sein Kontrahent Tamare.

Die Inszenierung von Antony McDonald drückt dem anspruchsvollen, verschlungenen Stoff eher einen ordnenden Stempel auf und lässt so der grandiosen Musik von Schreker viel Raum zur Entfaltung. Schrekers Klänge sind eine echte Entdeckung. Und eine entscheidende Rolle spielte dabei das Sinfonieorchester St. Gallen. Dirigent Michael Balke führt es von Anfang an mit grossem Zug und Intensität durch die opulente Partitur. «Die Gezeichneten» begeistern durch die gezeichneten Charaktere, die alle zur Liebe nicht fähig sind, weder zur Liebe in der idealisierten noch zur Liebe in der rein sinnlichen Ausprägung.