Durch Zen aus den Krisen Richtung Pfad der Weisheit und Selbsterkenntnis: Als eindrucksvoll erweist sich in Bates' Oper vor allem die Szene, in der Steve Jobs (1955-2011), gesungen von Edward Parks, im Convention Center von San Francisco die erste iPhone-Generation vorstellt.

Foto: Ken Howard

Der Ort allein ist Spektakel! Mitten in den versteppten, sandigen Hügeln New Mexicos, wenige Meilen nördlich von Santa Fe, liegt das 2008 erbaute Opernhaus: ein überdachtes, teilweise offenes Amphitheater. Bei Vorstellungsbeginn geht dunkelrot die Sonne über dem Sangre-de-Cristo-Gebirge, dem südlichen Ausläufer der Rocky Mountains, unter. Später zucken oft Blitze in der Ferne.

Das Festival in Santa Fe hatte aber auch zuvor eine ruhmreiche musikalische Tradition und seit seiner Gründung durch John Crosby vor sechzig Jahren die immergleiche Dramaturgie: fünf unterschiedliche Produktionen, darunter in erster Linie Raritäten (in diesem Jahr etwa Rimski-Korsakows Goldener Hahn) sowie Werke der Moderne. Henze, Schönberg, Saariaho, Rihm und Berg erlebten hier ihre amerikanischen Erstaufführungen.

Kleiner und großer Steve

In den letzten Jahren gibt es in Santa Fe regelmäßig auch Uraufführungen. The (R)evolution of Steve Jobs von Mason Bates ist ein Auftragswerk des Festivals und der Westküstenopern Seattle und San Francisco, doch es passt auch gut in die Naturkulisse des Theaters. Die Schlüsselszene in der Oper über den Mitgründer von Apple und milliardenreichen Unternehmer ist nämlich eine buddhistische Hochzeitszeremonie und spielt in freier Natur: dem Yosemite-Nationalpark.

Kobun Chino Otogawa, Steve Jobs Zen-Meister, kommt in Bates Oper große Bedeutung zu. Wie Sarastro (mit beeindruckendem Bass: Wei Wu) führt Kobun seinen Schüler Steve immer wieder aus allen Krisen auf den Pfad der Weisheit und Selbsterkenntnis.

Handys haben in einer Opernaufführung ja wenig verloren, und im Libretto von Mark Campbell stehen die iPhones auch gar nicht im Mittelpunkt, sondern die durchaus austauschbare Biografie eines Genies – mit allen seinen menschlichen Schwächen, seinem Perfektionswahn, mit Verdrängungen und Beziehungsschwierigkeiten; recht konventionell, wenn auch nicht chronologisch, sondern in 19 Szenen mit Rückblenden und Vorausnahmen erzählt. Anfang und Finale: Steves zehnter Geburtstag. Von seinem Adoptivvater bekommt er in der Garage eine Werkbank, womit alles geniehafte Forschen beginnt.

Ambitionierte Komposition

Mehr als das Libretto zündet allerdings die ambitionierte Komposition, bisweilen an die Klangflächen Ligetis erinnernd, für kurze Momente Folkmusik zitierend, dann wieder elektronische Klangräume eröffnend.

Während Steve Jobs – auch als Darsteller sehr glaubhaft: Edward Parks – oft von der E-Gitarre begleitet wird, unterstreichen süffig Streicher die Stimmen der verleugneten Geliebten (Jessica Jones) und den warmen Mezzo der besorgten, etwas vernachlässigten Ehefrau (Sasha Cooke).

Am eindrucksvollsten aber die Szene, wenn Jobs 2007 im Convention Center in San Francisco das neue iPhone als Revolution anpreist. ("One device does it all in one hand. Tap!" – Ein Werkzeug in einer Hand macht alles. Tap!) Beim Publikum erwies sich die Produktion als Erfolg, eine Zusatzvorstellung musste wegen der großen Nachfrage eingeschoben werden. Psychologisch genaue Figuren und eine präzise Choreografie bestimmen die Inszenierung von Kevin Newbury, und ein abwechslungsreiches Costume-, Lighting-, Projections- und Sound-Design belebt das minimalistische "Scenic Design", wie das Bühnenbild von Victoria Tzykun heißt: Es sind die verschiebbaren Wände von Jobs' Garage.

Zeitgenössische Oper dient in den USA also durchaus dazu, eigene Geschichte zu erkunden. 2018 wird in Santa Fe John Adams' Oper Doctor Atomic auf dem Programm stehen. In den einsamen Bergen und Canyons, in Los Alamos, ganz in der Nähe von Santa Fe, hatte 1942 bis 1945 das Team von Robert Oppenheimer die erste Atombombe gebaut. (Bernhard Doppler aus Sante Fe, 1.9.2017)