Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2017. Dies sind die Abenteuer des „Raumsiffs“ Enterprise, das mit seiner 101 Mann und Frau starken Besatzung vier Stunden unterwegs ist, um fremde Fantasien zu erforschen, neues Theaterleben und neue Improvisationen. Ein paar Schritte vom Naschmarkt entfernt dringt das Raumsiff in Fantasien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen und gehört hat ...

Nicht Captain Kirk freilich, sondern Captain Meese sifft uns durch Weltraumodysseen. Zum „Mondparsifal“ nämlich. In „Alpha 1–8 (Erzmutterz der Abwehrz)“, wie der Untertitel des Auftragswerks der Wiener Festwochen lautet, lädt er als Regisseur von Bernhard Langs neuer Oper jedenfalls zu einer galaktischen Gaga-Gala.

Der deutsche Kunstwüterich, eine unkontrollierte Kreuzung aus Hugo Ball, Joseph Beuys und Helge Schneider, zeigt mit exzessiver Lust, wie man den „Parsifal“ als Nonseumswärter zu einem Bühnenentweihfestspiel macht. Seine für 2016 geplante Inszenierung von Richard Wagners letzter Oper in Bayreuth war ja noch – wohl am Fracksausen der Erben – fröhlich gescheitert. Aber für seine erste Opernregie durfte sich der 47-jährige Berliner nun im Theater an der Wien austoben.

Mumpitz und Mystik. Kanu und Kühlschrank. Raumanzug und Ritterrüstung. Kundry als Richard Wagner und Barbarella. Twinni-Lutscher und Kunstpamphlete. Blumenmädchen als Manga Girls. Bandltanz um die brennende Strohpuppe aus dem Horrorfilm „The Wicker Man“. Die gynäkologische Pforte von St. Paulis legendärer Kneipe „Zur Ritze“. Projektionen von Fritz Langs Stummfilmklassiker „Die Nibelungen“aus 1924 oder von A-fresco-Kritzeleien des in einer Loge hockenden Künstlers. Und natürlich immer wieder Mutti, Mami, Mutter: Bei Meese, auch für Bühne und Kostüme verantwortlich, geht das alles zusammen. Und es gibt nichts, was das ewige Kind nicht aus seiner Spielzeugtruhe holt für dieses Kaleidoskop bravourösen Stümperns.

Wer annahm, Bernhard Lang würde parallel dazu den Unsinnfoniker geben, lag falsch. Der 60-jährige Linzer, seit 2003 Professor an der Kunstuni Graz, hält sich in Grundierung und Gestus seiner „Überschreibungsmusik“ (auch als Librettist) überraschend eng an Wagner, unterstreicht mit mitunter zähen Repetitionen oder scharfschneidigen Streichersätzen aber seine Handschrift und schreibt dem einmal mehr sehr firmen Arnold Schoenberg Chor zwischendurch sogar so eine Art Motette in die Gurgeln.

Das Wunderwerkl Klangforum Wien rennt, groß besetzt, auch in Langs hochkomplexer Partitur wie geschmiert und darf zwischendurch wie good old Vienna Art Orchestra auftrumpfen. Dazu verrichtet die Australierin Simone Young mit bewundernswerter Gelassenheit und Konzentration Schwerstarbeit am Pult.

Enorm auch die Leistungen der Sänger, allen voran Daniel Gloger: Wie Sean Connery als Science-Fiction-Held Zardoz (offenbar ein Vorfahre der Nervensäge Borat) nur mit Mankini und Kniestiefeln gekleidet, verausgabt sich der deutsche Countertenor als „reiner Tor“ Parsifal und bleibt selbst in Hysterienarien souverän. Sehr stark auch Wolfgang Bankl, der als Gurnemanz optisch das Alter Ego von Meese gibt, und Magdalena Anna Hofmann als hexische Verführerin Kundry. Detto Martin Winkler als Rocker Klingsor, der die Fellatio einer Teddybärin genießt, und Amfortas Tómas Tómasson, der als Spock auftaucht und als exhibitionistischer Marlon Brando zum letzten Tango bittet.

„Nur Naivität kann die Welt retten!“, postuliert Jonathan Meese. Das eigentlich Raffinierte ist ja, dass uns der ideale Weltenretter wie in all seiner Vielkünstlerschaft gerade auch in „Mondparsifal“ völlig freie Wahl lässt: Ist das jetzt inkomplett genial? Oder komplett plemplem? Vermutlich und ganz in seinem Sinne beides.

Regisseur Jonathan Meese und Komponist Bernhard Lang
Regisseur Jonathan Meese und Komponist Bernhard Lang © FESTWOCHEN/Jan Bauer