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Kritik - Henzes "Elegie für junge Liebende" in Wien Bergpanorama mit Staubschicht

Muffiger Text, faszinierende Musik - so ließe sich Hans Werner Henzes Oper "Elegie für junge Liebende" stichwortartig zusammenfassen. Keith Warners Neuinszenierung des Stücks, die am 2. Mai im Theater an der Wien Premiere hatte, konnte die angestaubte Handlung nicht retten. Dafür überzeugte die musikalische Umsetzung auf ganzer Linie.

Anna Lucia Richter (Elisabeth Zimmer), Johan Reuter (Gregor Mittenhofer) | Bildquelle: Werner Kmetitsch

Bildquelle: Werner Kmetitsch

Premierenkritik zum Anhören

Das Alter ist ungerecht. Manche erwischt es vor der Zeit, andere bleiben einfach jung. Das ist bei Menschen so - und bei Opern nicht anders. Die jung gebliebenen Stücke bekommen den schmeichelhaften Namen "Meisterwerk" und stehen ständig im Rampenlicht, merklich gealterte Stücke kriegen trotzdem ab und zu eine Chance, dann heißen sie "Ausgrabung". So weit, so übersichtlich. Kompliziert, aber auch interessant wird es, wenn Text und Musik in unterschiedlicher Geschwindigkeit altern. Hans Werner Henzes "Elegie für junge Liebende" ist so ein Fall.

Kunst geht über Leichen

Ein in die Jahre gekommener, maßlos egozentrischer Dichter manipuliert gnadenlos seine Umgebung. Alle lassen sich von ihm ausnutzen: die reiche Gräfin, die ihm Geldscheine zusteckt, die irre Witwe, deren Visionen er zu Gedichten verarbeitet, der versoffene Leibarzt, der ihn körperlich in Form hält, damit er seine junge Freundin Elisabeth befriedigen kann. Doch dann taucht Toni auf, ebenfalls jung und gut aussehend. Diesem Nebenbuhler ist der alternde Dichter auf Dauer nicht gewachsen. Listig schickt er das junge Paar auf eine Bergtour. Toni und Elisabeth geraten in einen Schneesturm, der eifersüchtige Dichter verhindert die Rettung. Nun kann er, mit zynischer Ergriffenheit über den von ihm selbst verursachten Bergtod, endlich sein Gedicht vollenden: "Die Elegie für junge Liebende". Merke: Kunst geht über Leichen.

Libretto mit Staubschicht

Martin Winkler (Dr. Wilhelm Reischmann)  | Bildquelle: Werner Kmetitsch Szenenfoto mit Johan Reuter als Gregor Mittenhofer | Bildquelle: Werner Kmetitsch In der Mitte der Drehbühne thront eine riesige Schreibtischlampe. Darum kreisen, überlebensgroß aus Gips, eine Schreibmaschine und ein Bücherstapel. Regisseur Keith Warner steckt die Figuren in 50er-Jahre-Kostüme. Es wird lebhaft interagiert und herumgeklettert. Und doch klebt die Inszenierung zu eng am eigenartigen Plot. Das Ganze hat etwas Nierentisch-artiges, der Muff der 50er-Jahre liegt über der Handlung. Dabei stammt das Libretto immerhin von Wystan Hugh Auden und Chester Kallman, einem Team, das für Henzes "Bassariden" und auch für Strawinsky und Britten starke Textbücher geschrieben hat. Aber was hilft's: In der deutschen Übersetzung, die Henze vertonte, hat dieser Text eine dicke Staubschicht angesetzt. Dass die jungen Liebenden einen angemessen kitschigen Liebestod abbekommen, geht in Ordnung - schließlich sitzen wir in einer Oper. Leider verdoppelt Regisseur Keith Warner die heikle Stelle dann auch noch mit einem Luis-Trenker-Bergpanorama. Dazu kommen die oft angestrengt-schwülstigen Verse. Wenn dann auch noch inflationär gereimt wird, wird es stellenweise unfreiwillig komisch.

Sehen Sie hier die Bilder zur Produktion.

Betörender Farben-Zauber der Musik

Das Alter ist einfach ungerecht! So viel Patina der Text angesetzt hat, so frisch leuchtet die Partitur. Die Musik des jungen Henze hat nichts, aber auch gar nichts von ihrer dramatischen Unmittelbarkeit und ihrem betörenden Farben-Zauber verloren. Nur 25 Musiker sitzen im Graben, ein originelles Ensemble aus Soloinstrumenten. Grandios umgesetzt werden Henzes Klangwunder von den Wiener Symphonikern unter Marc Albrecht. Und gesungen wird auf gleichem Niveau. Johan Reuter als alternder Dichter erreicht zwar nicht die ölige Bösartigkeit von Dietrich Fischer Dieskau, der die Uraufführung sang, ist der Rolle aber in jeder Hinsicht gewachsen. Angelika Kirchschlager spielt und singt die Gräfin mit fesselnder Intensität. Überstrahlt wird sie von den atemberaubenden Koloraturen der Laura Aikin und der unangestrengt leuchtenden Höhe der Anna Lucia Richter - eine exzellente Leistung. Tja, und welche Prognose ist dieser eher selten gespielten Henze-Oper nun zu stellen? Letztlich zählt die Musik - und die ist unbedingt hörenswert.

Sendung: "Allegro" am 03. Mai 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Infos und Termine

Hans Werner Henze: "Elegie für junge Liebende"
Theater an der Wien

Premiere:
Dienstag, 02. Mai 2017

Weitere Termine:
Donnerstag, 04. Mai 2017, 19.00 Uhr
Sonntag, 07. Mai 2017, 19.00 Uhr
Dienstag, 09. Mai 2017, 19.00 Uhr
Donnerstag, 11. Mai 2017, 19.00 Uhr

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