Das geht nicht gut aus: Siegmund (Peter Seiffert, li.) trifft Hunding (Georg Zeppenfeld, Mi.), der misstrauisch beäugt, wie gut sich Sieglinde (Anja Harteros) und Siegmund verstehen.


Foto: Rudi Gigler

Salzburg – Nun steckt das Schwert also seit 50 Jahren links in dem uralten Baum. Seinerzeit, 1967, hat es Dirigent Herbert von Karajan bei der Gründung der Salzburger Osterfestspiele als Regisseur in jene Esche hineingewuchtet, die ihm Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen hingepflanzt hatte. Baum wie Schwert haben seit damals einiges gesehen: die Etablierung der Festspiele ebenso wie den Boom der Plattenbranche, der Karajan zum Allvater des audiovisuellen Fortschritts auch finanziell veredelte. Natürlich auch mithilfe der Berliner Philharmoniker, die mit Karajan jährlich gerne Salzburg besuchten.

Baum und Schwert waren als Erinnerungen aber sicher dabei, als Jahre nach Karajans Tod die Berliner beschlossen, von Salzburg nach Baden-Baden zu ziehen, und Christian Thielemann (einst Karajans Assistent) mit seiner Sächsischen Staatskapelle Dresden das Osterfestival übernahm und ihm – das lässt sich nach aktueller Aufführung behaupten – zu neuem Glanz verhalf.

Überraschend aber, dass Esche und Schwert nun den alten Fotos, Skizzen und Erinnerungen tatsächlich entstiegen und die Bühne "betraten". Da es nun aber so geschah, und sich Sieglinde im Großen Festspielhaus erfolglos mühte, das Schwert, also Notung, dem alten Baum zu entreißen, zog es eben wie einst auch von Karajan geplant Siegmund heraus.

Reanimation großen Handwerks

Was von der Papierform her als spleenige Reverenz an den Festivalgründer und den 50. Geburtstag der Osterfestspiele wirkte, entpuppt sich bei der Eröffnung der Osterfestspiele als reizvolle Reanimation zeitloser Abstraktion und großen Handwerks. Der imposante Baum samt Schwert, unter dem sich im ersten Akt zwischen Geschwistern erfahrungsgemäß Inzestuöses abspielt, hat die Dimensionen des Großen Festspielhauses verstanden und prachtvoll genutzt, ohne die akustische Gesamtlage zu belasten.

Regisseurin Vera Nemirova, beauftragt, ihre Ansichten dem alten Bühnenbild einzupflanzen, erstarrt allerdings nicht besonders vor der Bühnenhistorie. Mit der Genauigkeit einer Psychologin legt sie Misstrauen und Zuneigung offen, erhellt Beziehungsgeflechte. Siegmund und Sieglinde beschert sie einen tristanhaften Liebestrankmoment. Hundig (gesanglich imposant Georg Zeppenfeld) wird bei ihr zum Gewalttätigen, der rüpelhaft Sieglindes Bauch abhorcht, ob nicht endlich ein Kind unterwegs sei.

Szenisch Interessantes ist auch auf der Kreisfläche des zweiten Aktes zu sehen. Mit winzigen Gesten wird Spannung evoziert, wird etwa Hundings Ende deutlich oder Frickas (beeindruckend Christa Mayer) raffinierter Verhandlungszank mit Gatten Wotan zelebriert.

Der geplagte Hüter und zugleich Brecher der Gesetze ist bei dem kantablen Vitalij Kowaljow, den nur am Ende die Kräfte etwas verlassen, dann aber darstellerisch in bescheidenen Händen. Und bei dem Auftritt der Walküren drängt sich die Frage auf, ob das statuarische Speergefuchtel nur ein unfreiwillig komischer Versuch ist, Skepsis gegenüber allem Kriegerischen zu demonstrieren. Schade. Engagiert und intensiv jedenfalls die Leistung von Anja Kampe (als Brünnhilde).

Musikalisch exzeptionell

Grandios in der Mischung aus Intensität und Klangschönheit (in den Höhen) jedenfalls Peter Seiffert (als Siegmund), edel auch Anja Harteros (als Sieglinde), was in Summe eine besondere Aufführung ergibt, die ein behutsamer Christian Thielemann mit der Staatskapelle in delikate Höhen hob. Mag der orchestrale Beginn allzu diskret und fein gewirkt haben, entfaltet sich alsbald eine poetische Differenziertheit, die der kultivierte Klang dieser Wunderharfe trug. Alles wäre aber wenig mehr als wohliger Schönklang ohne Thielemanns Gespür, die Feinheiten in den Dienst der Dramaturgie zu stellen.

Die Osterfestspiele Salzburg 2018 wechseln übrigens wieder ins italienische Fach: Es wird Puccinis Tosca zu erleben sein – mit der (wie ja zu hören war) besonderen Anja Harteros. Das Rekonstruieren alter Bühnenbilder, wie heuer passiert, soll eine einmalige Angelegenheit bleiben. Und Planungen für den 100. Geburtstag der Osterfestspiele können noch in der Schublade verharren. Vorerst wurden einmal alle ausgiebig gefeiert. (Ljubisa Tosic, 9.4.2017)