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Nachtkritik "Die Walküre": Wagner will erzählt sein

"Die Walküre" der Salzburger Osterfestspiele 2017 ist nicht fünfzig Jahre alt. Sie ist auf ihre Art gegenwärtig und lebendig.

Vor 50 Jahren kam als erste Premiere der von Herbert von Karajan als Privatfestival gegründeten Osterfestspiele Salzburg Wagners "Walküre" heraus: umstritten - die Erzdiözese beispielsweise wollte kein "Hojotoho" im Halleluja der Auferstehung -, glamourös, ein Gesamtkunstwerk im Sinne Wagners, für das Karajan als Dirigent, Regisseur, Financier und Alleinverantwortlicher einen neuen Typus von Festspielen schaffen wollte.

Fünfzig Jahre danach sind die Osterfestspiele, manchen Stürmen zum Trotz, aus dem Kulturleben Salzburgs und Österreichs nicht mehr wegzudenken: als Wirtschafts- und als künstlerischer Faktor, für den nach dem unrühmlichen Abgang des Gründungsorchesters, der Berliner Philharmoniker, seit 2013 die Sächsische Staatskapelle Dresden und ihr Chefdirigent Christian Thielemann verantwortlich sind.


Zum Jubiläum hatte am Samstag im Großen Festspielhaus eben jene "Walküre" Premiere, die vor fünf Jahrzehnten für Auftakt und Furore sorgte.

Man entschied sich - auch weil heute kaum noch ein einzelner Teil von Wagners Tetralogie produziert wird - für eine "Rekreation" der Urfassung, was in erster Linie bedeutet: die Wiederimagination der originalen Bühnenbildidee von Günther Schneider-Siemssen, nachgestaltet von Jens Kilian.

Die "Erdung" der monumentalen Weltesche des ersten Aufzugs ist da am nächsten dran an der "Urgestalt" der Szene, die anderen beiden Aufzüge gehen mit dem aus Skizzen ersichtlichen Material freier um.

Am breiten Horizont erscheinen nicht nur kosmische Spiralnebel, sondern auch Schriftzeichen mit der komplexen Götter- und Wälsungen-Familiengeschichte, und auch der riesige Ring als Spielfläche ist besser (deswegen aber vielleicht auch geheimnisloser) ausgeleuchtet und weniger magisch-mytisch überhöht. Und die Sänger sind natürlich Menschen von heute.

So jedenfalls führt sie Regisseurin Vera Nemirova in zurückhaltend dezenter, aber effektiv arrangierter Personenkonstellation: eine Inszenierung, die sich nicht aufdrängt, respektvoll mit der Historie umgeht, deswegen aber auch keine eigenen Deutungsmuster anbietet.



Aber es ist ohnedies der Abend der Musik. So gut als Kollektiv und in mannigfachen Einzelleistungen war die "Kapelle" noch nie seit ihrem Amtsantritt in Salzburg, die "Walküre" liegt ihr in den Genen, und so kann auch Christian Thielemann bei seinem Leib- und Lebenskomponisten, den er aus dem ff beherrscht, sich auf größtmögliche dirigentische Ökonomie bei maximaler Klangdarstellungsbrillanz beschränken.

Was man da alles hört, ist ein Wunder, und die erzielten dynamischen und farblichen Abstufungen sind ein Hörabenteuer der Extraklasse. Vor allem aber: Wagners "Walküre", ohne viel äußere Handlung, will in epischer Stringenz und doch pointiert erzählt sein. Das wird hier zum Ereignis.

Dass Thielemann Sänger nicht nur begleiten, sondern sie auf Händen tragen und in jeder Situation instinktiv sichern kann, ist bekannt.

Hier aber wird eine neue Stufe dieser Qualitäten erreicht, für die sich "alte Recken" wie Peter Seiffert (Siegmund) und neue Helden und Heldinnen wie Anja Harteros (Sieglinde) oder Georg Zeppenfeld (Hunding) gleichermaßen bedanken mögen. Anja Kampes Brünnhilde leuchtet und strahlt schier mühelos, Vitalij Kowaljow ist ein jugendlich unverbrauchter, herrlich und ohne Anstrengung auf schlanker Linie singender Wotan, Christa Mayer eine mehr als nur verlässliche Fricka, und jede der acht Walküren hat fein abgemischte Kontur: ein Top-Ensemble.

Großer Jubel am Ende der Premiere, und, als endlich das Orchester mit seinem Meister auf dem Walkürenfelsen erschien, Ovationen. Die Dresdner sind jetzt wirklich in Salzburg angekommen.

"Die Walküre" - Dokumente aus dem Jahr 1967 zur Gründung der Osterfestspiele

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