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La damnation de Faust

Légende dramatique in zwei Teilen
Libretto vom Komponisten und Almire Gandonniere nach Goethes Faust in der Übersetzung von Gérard de Nerval
Musik von Hector Berlioz

In französischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 25. Januar 2017
(rezensierte Aufführung: 31.01.2017)

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Zwischen Höllenritt und Apotheose

Von Thomas Molke / Fotos von © Lorraine Wauters - Opéra de Wallonie

Nachdem man in Münster die Opernsaison mit Gounods Faust eröffnet und sich in Dortmund sowohl im Musiktheater als auch im Tanztheater mit dem Faust-Stoff auseinandergesetzt hat, präsentiert nun auch die Opéra Royal de Wallonie in Liège eine Vertonung von Goethes Klassiker. Dabei ist die Wahl allerdings anders als in Münster und Dortmund nicht auf die Gounods Fassung im gefallen, sondern auf Hector Berlioz' 16 Jahre zuvor entstandene Légende dramatique La damnation de Faust, die eher selten auf den Bühnen zu erleben ist. Berlioz hatte sich bereits im Alter von 26 Jahren mit Goethes Faust in einer französischen Übersetzung von Gérard de Nerval auseinandergesetzt und eine Schauspielmusik unter dem Titel Huit scènes de Faust komponiert, die er an Goethe sandte. Dieser soll aber kein großes Interesse gezeigt haben. In den folgenden Jahren überarbeitete Berlioz die Komposition und brachte sie 1846 an der Opéra Comique konzertant heraus. Diese Aufführung entwickelte sich zu einem Fiasko, so dass Berlioz von einer szenischen Umsetzung Abstand nahm. Erst 24 Jahre nach Berlioz' Tod folgte die szenische Uraufführung des Werkes in Monte Carlo, die einen großen Erfolg erzielen konnte.

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Faust (Paul Groves, oben rechts) betrachtet das fröhliche Treiben der Leute auf dem Land (Chor).

Grundsätzlich lässt sich allerdings festhalten, dass eine szenische Umsetzung aufgrund der Dramaturgie des Werkes relativ problematisch scheint. Die einzelnen Szenen, die Berlioz in Musik umgesetzt hat, wirken wie ein Flickenteppich aus Goethes Werk und weisen bis zum Auftritt von Marguerite keine klare Struktur auf. Am Anfang wird auch überhaupt nicht klar, wie Faust von der ungarischen Puszta in sein Studierzimmer nach Norddeutschland kommt, wo er seinem Leben ein Ende setzen will. Die folgende Gretchen-Tragödie, die nach einem kurzen Exkurs in Auerbachs Weinkeller folgt, bleibt ebenfalls fragmentarisch. Faust verlässt die Geliebte bereits nach der ersten Liebesnacht. Dass sie ihre Mutter getötet hat und dafür verurteilt werden soll, erfährt er erst später, nachdem er sich in die Einsamkeit der Natur zurückgezogen hat. Nun folgt der eigentliche Pakt mit Méphistophélès. Der Teufel verspricht Faust, Marguerite zu retten, wenn dieser bereit ist, ihm fortan zu dienen. Faust willigt ein und steigt mit Méphistophélès in die Hölle hinab, während Marguerite erlöst wird und ein Engelchor ihre Rettung verkündet.

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Verzweifelte Marguerite (Nino Surguladze)

Ruggero Raimondi, der in Liège bereits vor drei Spielzeiten in Verdis Attila einen relativ klassischen Regie-Ansatz gewählt hat (siehe auch unsere Rezension), orientiert sich in seiner Inszenierung an der szenischen Uraufführung in Monte Carlo mit Zeichnungen des belgischen Malers Eugène Frey, die heute noch im Nouveau Musée National de Monaco zu sehen sind. Bühnenbildner Daniel Bianco projiziert sie mit einer geschickten Licht-Regie von Albert Faura vor die Akteure, so dass einerseits die Szenenwechsel problemlos bewältigt werden können und andererseits beeindruckende Bilder entstehen, die die Atmosphäre der einzelnen Auszüge aus Goethes Klassiker gut einfangen. Als eigentliches Bühnenbild fungiert hinter diesen Projektionen ein rundes Gerüst, das sich mal zu einer Art Turm verschließt, dann wieder den Blick auf eine kreisrunde Scheibe freigibt. Zu Beginn der Oper befindet sich Faust mit einem weißen Licht in der Hand oben auf dem Gerüst, steigt dann jedoch im weiteren Verlauf hinab, während sich Marguerite zunächst nur unten bewegt und erst bei ihrer Erlösung im Gerüst emporsteigt.

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Méphistophélès (Ildebrando d'Arcangelo, vorne rechts) ruft die Mächte der Unterwelt herbei.

Besonders hervorzuheben sind Marguerites erster Auftritt als Traumgestalt, die Trennung von Faust und Marguerite nach ihren ersten leidenschaftlichen Liebesbezeugungen, Fausts Hinwendung zur Natur und sein Höllenritt mit Méphistophélès, um Marguerite zu retten. In einer pittoresken Waldprojektion versinkt Faust in einen tiefen Schlaf und wird dabei von Méphistophélès auf einer Art Barke in eine Zauberwelt entführt. Jesús Ruiz hat für die Geister fantasievolle Kostüme entworfen. Inmitten dieser Geister erblickt Faust dann Marguerite mit einem weißen Schleier und will ihr direkt folgen. Wenn ihr Treffen dann gestört wird, erscheinen zahlreiche Augen auf der Projektion, die Faust gar keine andere Wahl als die Flucht lassen. Marguerite bleibt allein zurück, und man sieht ein kreisrundes Loch, dass die Illusion der Projektionen zerstört. Doch zunächst merkt Faust davon noch nichts und träumt sich auf sonnengelben Feldern in eine traumhafte Natur, bevor Méphistophélès ihn in die Realität zurückholt. Schwarze Pferde reiten nun in der Projektion, die mit unheimlichen Lichteffekten Fausts Abstieg in die Hölle markieren. Hier lauern zahlreiche unheimliche Gestalten, die Faust nun ewige Qualen bereiten werden, während Marguerite erlöst in den klaren Himmel mit zarten weißen Kumulus-Wolken emporsteigt.

Musikalisch bewegt sich der Abend auf hohem Niveau. Mit Ildebranco d'Arcangelo hat die Opéra Royal de Wallonie die Partie des Méphistophélès hochkarätig besetzt. d'Arcangelo begeistert mit schwarzen Tiefen und gibt der Figur diabolische Züge. Paul Groves ist erst zur Generalprobe eingeflogen worden, um für den erkrankten Marc Laho die Partie des Faust zu übernehmen. Bei der dritten Aufführung hat er szenisch bereits sehr gut in die Produktion gefunden. Stimmlich stattet er die Partie mit geschmeidigem Tenor aus, der allerdings in den Höhen bisweilen etwas forcieren muss. Wie er in seiner Verzweiflung kurz vor Ende Méphistophélès schließlich seine Seele überschreibt, geht musikalisch und darstellerisch unter die Haut. Nino Surguladze verfügt als Marguerite über einen samtig-warmen Mezzosopran, der auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist. Bewegend gestaltet sie die Ballade vom König in Thule, kurz bevor Faust ihre Kammer betritt. Überzeugend gelingt ihr auch die Darstellung von Marguerites Trauer, nachdem diese von Faust verlassen worden ist. Laurent Kubla gefällt als Brander in Auerbachs Weinkeller mit seinem Zechlied genauso wie Réjane Soldano mit dem abschließendem Sopran-Solo, zu dem Marguerite in den Himmel emporsteigt. Patrick Davin lotet mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie die emotionsgeladene Musik differenziert aus, und auch der von Pierre Iodice einstudierte Chor überzeugt auf ganzer Linie, so dass es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

Ruggero Raimondi gelingt eine überzeugende Umsetzung des schwer zu inszenierenden Stückes auf hohem musikalischen Niveau. Dennoch dürfte Gounods Faust und Boitos Mefistofele musikalisch der Vorzug gegeben werden.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrick Davin

Inszenierung
Ruggero Raimondi

Bühnenbild
Daniel Bianco

Kostüme
Jesús Ruiz

Licht
Albert Faura

Chorleitung
Pierre Iodice

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie

Statisterie der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Faust
Paul Groves

Marguerite
Nino Surguladze

Méphistophélès
Ildebrando d'Arcangelo

Brander
Laurent Kubla

Sopran-Solo
Réjane Soldano


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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