Volksoper: Die heilige Heliane, auferweckt

(c) Barbara Palffy / Volksoper
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"Das Wunder der Heliane", konzertant: Unter Jac van Steen setzen sich eine respektable Besetzung und hoch motivierte Kollektive für Korngolds vergessenes Opus ein.

Selig sind die Liebenden“, schweben seraphische Stimmen herab, Orgel und Orchester beleuchten sie plötzlich in reinem C-Dur: Heliane hat das Flehen des Gefangenen erhört, alle Hüllen fallen lassen und steht nackt vor ihm. „Von dem weißen Körper scheint ein Klingen in den Kerker zu ziehen. Die Luft erzittert silbern, die Wände glänzen“, erklärt die originale Regieanweisung. Ein Komponist wie Erich Wolfgang Korngold braucht keine Szenerie, um ein Theater vor dieser erotischen Mystik erbeben zu lassen. Gleich nach diesem religiösen Innehalten strömt, glitzert, prickelt die leitmotivisch durchwirkte Musik wieder, dreht Pirouetten durch alle Tonarten des Quintenzirkels, oft in zweien zugleich, schraubt sich hymnisch empor, stürzt in finstere Tiefen.

Ein Wunder fast, dass sich die Wiener Volksoper immerhin konzertant an Korngolds 1927 uraufgeführtes „Wunder der Heliane“ wagt – sein geliebtes, immerzu behindertes Hauptwerk: durch immense musikalische Schwierigkeiten; durch eine stilistische Polarisierung mit Ernst Kreneks „Jonny spielt auf“ als das modern-modische Gegenstück; durch Texte und Winkelzüge von Vater Korngold, dem erzkonservativen Kritiker; durch die Ächtung durch die Nazis – und heute vor allem: durch das problematische Libretto.

Eine umgekrempelte „Salome“

Gut, Joseph Gregors Texte für Richard Strauss sind noch verschwurbelter. Doch auch Hans Müllers Dichtung, inspiriert vom Expressionisten Hans Kaltnecker, hat es in sich. Die Handlung krempelt die „Salome“ um, flirtet mit archetypischem Tiefsinn à la „Frau ohne Schatten“, verkocht Elemente aus „Götterdämmerung“, die Verklärungsschlüsse des „Holländers“ und der „Ariadne“: In einem lieb- und freudlos regierten Reich wird ein Fremder zum Tod verurteilt – ein Sozialrevolutionär, ein Prophet der (freien) Liebe? Der despotische Herrscher bietet dem Heilsbringer Begnadigung, wenn er ihm hilft, das Herz und die sexuelle Gunst seiner Frau Heliane zu erringen. Er kann nicht ahnen, dass Heliane gerade beim Fremden im Gefängnis war und sich ihm in keuscher Nacktheit offenbart hat. Am Höhepunkt des zweiten Aktes, in der einzigen abgrenzbaren Arie des durchkomponierten Werks, gesteht sie kühn, dass sie und der Fremde in Liebe verbunden seien. Er wird hingerichtet – und der Herrscher zwingt Heliane zu einem Gottesurteil: Wenn sie ihn von den Toten erwecken könne, sei sie unschuldig und werde freigelassen . . .

Nicht verwunderlich, dass Korngolds Figuren auf musikalischen Kothurnen einherschreiten: Parlando passt eben nicht für ein sensualistisches Mysterienspiel. Das macht es vor allem dem Sänger des Fremden nicht leicht, der sich mit unausgesetztem Glanz gegen manch orchestrale Übermacht behaupten soll. Tenor Daniel Kirch schlägt sich immerhin wacker. Den nötigen langen Atem beweist er nicht, tönt manchmal matt und eng, kommt aber ohne grobe Probleme über die Runden. Annemarie Kremer als Heliane überstrahlt ihn ohne Mühe, trotz gutturaler Tongebung und anfangs unsteter Linie: ein cremig-dunkler Sopran, auch in der Höhe noch üppig, fast zu üppig schimmernd. Neben ihr setzt Martin Winkler als Herrscher seine durchdringende Stimmgewalt ein – zuweilen ohne Rücksicht auf Verluste, aber dramatisch immer auf dem Posten. Und an der Spitze des tadellosen Ensembles zürnt Martina Mikelić als eifersüchtige Botin.

Einem Wunder kommt die Aufführung nicht gleich – aber großartig, was Jac van Steen am Pult erreicht. Weitgehend sängerfreundlich kostet er mit den vereinten, hoch motivierten Kräften von Chor und Orchester vieles von der ständig wechselnden Farbpalette der Partitur aus und sorgt auch im langen zweiten Teil für die nötige Spannung.

Noch am 2. und 5. Februar. www.volksoper.at

VERGESSENE KORNGOLD-OPER

1927 in Hamburg fand die Weltpremiere des „Wunders der Heliane“ statt; anders als vorherige Werke von Korngold, wie etwa die „Tote Stadt“, war dieses ein Misserfolg. Nach einer Aufführung 1928 unter Bruno Walter in Berlin wurde das auf der Bühne als unspielbar geltende Werk vergessen. 2007 wurde es in London wiedererweckt, konzertant, mit Renée Fleming als Heliane. Lotte Lehmann nannte die Titelpartie eine ihrer Lieblingsrollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2017)

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