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"Nostradamus" in Innsbruck: Musicalperfektion mit Uwe Kröger

Ein nahezu perfektes Musicalerlebnis wurde am Samstagabend im Tiroler Landestheater geboten. Der bereits verstorbene frühere Operndirektor des Tiroler Landestheaters Roger E. Boggasch hat mit "Nostradamus" ein mitreißendes Glanzstück geschrieben, das zusammen mit den Texten von Johannes Reitmeier zum Gesamterlebnis wurde. Uwe Kröger glänzte in der Titelrolle. Der Applaus wollte kaum mehr abebben.

Uwe Kröger ist in seinem Element.
Uwe Kröger ist in seinem Element.

Für ein musikalisch mitreißendes und inszenatorisch überzeugendes Musical braucht es mehrere Ebenen, die perfekt ineinandergreifen und jeweils Meister ihres Fachs, die sich um Musik, Text, Choreographie und Bühnenbild kümmern. Zudem muss die Titelrolle herausragend besetzt sein. Niemand aus dem Ensemble darf merklich negativ aus dem Rahmen fallen. Erst dann ist ein einnehmendes Musicalerlebnis möglich. Dieser seltene Glücksfall konnte bei der Premiere von "Nostradamus" in Innsbruck gehört und bestaunt werden.

Dabei wirkt der Stoff erst einmal wenig tauglich für ein Musical. Pest, düstere Prophezeiungen, Tod und Verderben sind die Zutaten. Michel de Notredame, verkörpert und mit viel Charisma von Musical-Star Uwe Kröger ausgefüllt, hatte kein leichtes Leben. In den Zeiten der großen Pestepidemien stieg er vom einfachen Pest-Arzt zum Gelehrten und schließlich als "Nostradamus" zum umjubelten Hellseher auf, der vor allem schwarzsah und sich mit seinen Zukunftsvisionen nicht nur Freunde machte.

Bereits zu Beginn des Abends wurde deutlich, dass sich die Pest hervorragend dazu eignet, um besungen zu werden. Der Chor des Landestheaters war in Bestform als er "das ist die Pest, die uns nicht leben lässt" schmetterte. Bedrohlich düster wirkte dazu das Bühnenbild, hymnisch-dunkel und doch erhebend die Musik.

Wenig später trat Uwe Kröger auf und nahm nicht nur die Titelrolle, sondern auch das Publikum für sich ein. Erstaunlich, denn gesanglich ragte er nicht wirklich aus dem sehr gut agierenden und musizierenden Stimm-Ensemble heraus. Deutlich eindrucksvoller sangen etwa Dale Albright in der Rolle von Jules Scalinger oder Johannes Wimmer als der Inquisitor von Lyon.

Doch im Musical zählen nicht ausschließlich die gesanglichen Leistungen. Musicals sind Unterhaltung, sind Pathos, sind Vereinfachung und Übertreibung. In dieser Hinsicht darf man Uwe Kröger zweifellos als "Mr. Musical" schlechthin bezeichnen. Wenn Michel de Notredame im Stück Visionen ereilten, sank Kröger stets auf die Knie, riss die Augen weit auf und sprach mit einer Stimme, die das Pathos nicht scheute, sondern geradezu suchte. Generell wurden Gesten von ihm übertrieben ausgeführt und Emotionen möglichst wirksam dargestellt.

Diese Übertreibungen passten bestens zum Stück. Die Kirche ist in diesem Musical ausschließlich böse, Katharina di Medici, überzeugend gesungen von Astrid Vosberg, durchgehend selbstherrlich und gefühlskalt und Jules Scalinger im Verlauf des Stücks vehement daran interessiert, das Volk gegen Michel de Notredame aufzuhetzen, den er mittlerweile als Scharlatan betrachtet. Graustufen, Subtilität und Differenzierungen gibt es kaum. Dies alles stünde auch einem einnehmenden Musical im Wege.

So knödelte und sang man sich durch diverse Bühnenbilder und eindrucksvolle Lichteffekte. Untermalt wurde das Bühnengeschehen mit einem herrlich homogen und leichtfüßig agierenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck.

Das musikalische Ausgangsmaterial ist, in Musical-Dimensionen gedacht, herausragend. Die Orchestrierung von Jürgen Tauber schaffte einen tollen Gesamtklang. Immer wieder spielte auch Reduktion eine Rolle. Stellenweise glaubte man einer Band zuzuhören, deren Klang und Melodieführung dann subtil und einfühlsam aufgewertet und verdichtet wurde. Gemeinsam schwang man sich auf und bewegte sich in hochemotionale Musical-Passagen. Dabei ließ man aber, Gott sei Dank, Schwulst und Kitsch geflissentlich weg. Für diesen sorgte Uwe Kröger - damit ergab sich eine perfekte Symbiose.

Das Team hinter diesem Musical, dem man jetzt schon zukünftige Erfolge in dieser Inszenierung vorhersagen darf, kann stolz auf sich sein. Das Tiroler Landestheater schöpfte aber auch aus dem Vollen und bot so gut wie alles auf, was an Talent und Möglichkeiten vorhanden ist. Der Intendant selbst, Johannes Reitmeier, inszenierte, Tanz-Guru Enrique Gasa Valga choreografierte und die Musik von Roger E. Boggasch war herausragende Grundlage für diese gelungene Neuinszenierung. Sichtlich genossen alle Mitwirkenden den abschließenden Applaus, der mit wiederkehrenden Bravo-Rufen verfeinert und intensiviert wurde. Ein Abend, den sich Musical-Liebhaber nicht entgehen lassen sollten.

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