Schmetterlingsröckchen und Leopardentanga, Sternchen am Kopf und Rüschen ums Dekolleté – wer „Revueoperette“ sagt, sagt auch gern Ausstattungsspektakel, und damit ist man im Fall der Zirkusprinzessin sogar werktreu. Schön und opulent ist es tatsächlich, was Kostümbildner Sven Bindseil für diese Neuinszenierung an der Volksoper anfertigen ließ, und was in Bohdana Szivacs‘ Choreographie glänzend zur Geltung kommt – doch ist Schönheit bekanntlich nicht alles…

Für das klassische Bühnenbild von Peter Notz (nach einer Idee von Sam Madwar) wurde von Regisseur Thomas Enzinger eine kurze, sinnvolle Rahmenhandlung konstruiert, in der die eigentliche Geschichte als Rückblende erzählt wird: Der ehemalige Direktor des St. Petersburger Zirkus Stanislawski kehrt an seine mittlerweile verfallene Wirkstätte zurück. Er erzählt einem dort Wache haltenden Bolschewiken von vergangener Pracht und jener verwitweten Fürstin Palinska, die glaubte, einen Prinzen zu heiraten, jedoch der Intrige eines verschmähten adligen Verehrers aufsaß und als „Zirkusprinzessin“ zur Lachnummer der feinen Gesellschaft wurde. Noch tiefer gedemütigt war nur ihr nicht standesgemäßer Ehemann, den sie sofort verließ.

Diese Rahmenhandlung ist ein ausgezeichneter Einstieg ins Geschehen und reflektiert bestens die Zeit der Uraufführung der Zirkusprinzessin (1926), in welcher man nicht nur im Theater gern sehnsuchtsvoll vergangenen, besseren Zeiten nachhing. Abstiegsängste und realer Abstieg sind damals wie heute aktuelle Themen (man denke nur an die die Generation Praktikum, die den wirtschaftlichen und sozialen Status ihrer Eltern nicht mehr erreichen kann), aber nichts davon, nicht einmal als Anspielung im Libretto, soll den bunten Abend, der sich nach der ersten Szene entfaltet, trüben – wäre der gedemütigte Liebende nicht der unverzichtbare Tenor, würde er als tragische Figur diese Inszenierung fast stören.

In Scharen wird getanzt, dazu gibt es gibt Akrobaten und die schon erwähnte Leistungsschau der Kostümbildnerkunst; trotzdem beschleicht einen mitunter jenes Gefühl, das man angesichts aufgesetzter Freundlichkeit empfindet: Es fehlt etwas, nämlich das Echte, Wahrhaftige, das im angestrengten Bemühen um eine tolle Optik auf der Strecke bleibt. Die Handlung und die Emotionen leiden unter dem Überangebot an tollen Ideen fürs Visuelle, sogar die intimen Momente bleiben nicht frei von Hintergrund-Klimbim. Weniger wäre hier mehr gewesen. Immerhin wurde der große Aufwand vom Publikum honoriert und mit einhelligem Jubel für alle bedacht.

Musikalisch stand der Abend unter der Leitung von Alfred Eschwé, der dem Volksopernorchester prototypischen Kálmán entlockte: üppig im Klang und stets elegant-pointiert. Gekonnt wurden hier Wiener Schmäh, ungarisches Temperament, Swing, und auch ein wenig slawische Schwermut musikalisch porträtiert. Von den Instrumentalnummern blieb vor allem das Zwischenspiel vor dem dritten Akt besonders im Gedächtnis.

Gesungen wurde dafür leider weniger überzeugend. Speziell die Textverständlichkeit ließ bei vielen zu wünschen übrig, obwohl Eschwé routiniert-sängerfreundlich dirigierte und besonders Astrid Kessler in der Titelpartie mehr als einmal bewies, dass ihre Stimme genug Durchschlagskraft besitzt, um sich mit Spitzentönen gegen Orchester und Chor auch im Forte durchzusetzen. In der mittleren Lage kann sie, wie man aus Gräfin Mariza weiß, noch mehr, als sie an diesem Abend bot. Darstellerisch agierte sie tadellos, wenngleich das in dem Überangebot an Bühnengeschehen ein wenig unterging. Geschickter machte es in dieser Hinsicht Carsten Süss als Mister X bzw. Prinz Korossow: Er verstand, dass man als Schauspieler in dieser (bzw. gegen diese) Inszenierung nur gewinnen kann, wenn man sie quasi mit ihren eigenen Waffen schlägt und die ganz großen, fast schon pathetischen Gesten auspackt. Gesanglich hatte er nicht seinen besten Tag, meisterte aber seine Partie dennoch ansprechend.

Sehr viel einfacher hatte es das Buffo-Personal. Der in Wien eher als Kabarettist bekannte Otto Jaus gab als Toni Schlumberger ein fulminantes Hausdebüt, sang, schwang und sprang sich durchs Geschehen und ließ den Wiener Schmäh geradezu blühen, wenngleich dieser im ersten Akt gemäß Libretto ein wenig übertrieben ausfiel. Als Miss Mabel Gibson war Juliette Khalil ein süßes Wiener Mädel, das zur Durchsetzung seines Willens auch laut und schrill werden konnte. Hausdirektor Robert Meyer glänzte als grantiger Oberkellner Pelikan, und da speziell im Spiel mit Tonis gestrenger Frau Mama (darstellerisch und stimmlich präsent: Elisabeth Flechl als Carla Schlumberger). Zu guter Letzt sei Kurt Schreibmayer erwähnt, der als intriganter, macht- und männlichkeitsbesessener Prinz Sergius Wladimir der Fels in der Brandung dieser bewegten Inszenierung war und mit sonorer Stimme Autorität ausstrahlte.

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