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Oper
Hans Werner Henzes Stubentiger in Hannover

Die Oper "Die englische Katze" aus dem Jahr 1983 von Hans Werner Henze hatte an der Staatsoper von Hannover Premiere. "Eine Geschichte für Sänger und Instrumentalisten" in zwei Akten zwischen feinen Klängen und brüllend komischen Passagen.

Von Jörn Florian Fuchs | 28.11.2016
    Szene auf der Bühne der Staatsoper Hannover. Zusehen ist das Ensemble in der Premierenaufführung der Oper "Die Englische Katze" von Hans Werner Henze. Die Premiere fand am 26.11.2016 statt.
    "Die englische Katze" - In der Oper von Hans Werner Henze tummeln sich die Katzen, einige sehen aus wie etwas zu pompös gekleidete Menschen (Thomas M. Jauk / Stage Picture)
    Am Ende hat Waisenmaus Louise endgültig ihr Näschen voll. Sie versammelt ein ganzes Heer von Artgenossen um sich und verlässt die Katzenwelt. Dies ist absolut verständlich, musste Louise doch mitansehen, dass Stubentiger letztlich auch nur Menschen sind, also geldgeil, egozentrisch, rachsüchtig. Was für ein Theater! Der alte Kater Lord Puff verliebt sich in die zuckersüße Mieze Minette, diese verguckt sich in den jungen Streuner Tom, der sich später als stinkreich entpuppt und neben Minette auch ihre Schwester Babette toll findet. Ein schnurrendes Happy End gibt es wohl erst im Jenseits, Minette wird ertränkt und auch Tom segnet das Zeitliche.
    Hans Werner Henze kleidet diese "Geschichte für Sänger und Instrumentalisten" in überwiegend feine Klänge, es gibt aber auch brüllend komische Passagen. Besonders die Partie der Minette schillert zwischen lichtvollen Liebeskoloraturen und kecker Schrillheit. Ania Vegry schlägt sich tapfer in dieser Zerbinetta-haften Rolle. Sung-Keun Park ist ein herrlich brummeliger Lord Puff, Matthias Winckhler der leicht tumbe, schwer verliebte Tom.
    Der Abend gewinnt an Atmosphäre
    Die Musik kommt anfangs eher zaghaft in Gang, bald schüttet Henze jedoch ein ganzes Füllhorn von Einfällen aus, die Mark Rohde am Pult des Niedersächsischen Staatsorchesters wohl zu strukturieren weiß. Auch Regisseurin Dagmar Schlingmann braucht ein kleines Weilchen, arg gediegen agiert das durchweg tolle Ensemble zu Beginn. Doch rasch gewinnt die Sache an Fahrt und der Abend an Atmosphäre.
    Gespielt wird in einem schiefen, muffigen Raum mit Teppichen aus besseren Zeiten, ein Lüster ragt schräg aus der Wand. Hier tummeln sich die Katzen, einige sehen aus wie etwas zu pompös gekleidete Menschen, andere tragen Frisuren, die in ihrer überdrehten Künstlichkeit an das Haarteil des künftigen US-Präsidenten erinnern. Zeitweise dreht sich die Bühne und man blickt auf die ebenfalls recht schmuddelige Rückseite dieser ungemütlichen Wohnstatt. Ab und an schwebt eine rote Metalltreppe herab und ermöglicht Minette oder auch Tom eskapistische Momente – allerdings werden die Himmelsstürmer mit einem Seil gesichert, was eher albern wirkt.
    Unter dem Ganzen hat sich Waisenmaus Louise durchaus behaglich eingerichtet. Julia Sitkovetsky rührt zu Tränen, wenn sie vom Schicksal ihrer ehemals weitreichenden Familie berichtet – alle tot – oder sie verblüfft und amüsiert durch ihre genauen, pointierten Beobachtungen der Nicht-Mäuse.
    Spiel mit dem Publikum
    Henzes Partitur ist auch ein Spiel mit dem Publikum, ein häufiges Locken auf falsche Fährten, weder über- noch unterfordernd. Im Hannoveraner Team mit von der Partie ist auch der exzellente Dramaturg Klaus Angermann, vermutlich sorgte er für einige sinnvolle Striche, was den Abend angenehm kurzweilig macht.
    Den langanhaltenden, stürmischen Jubel des Publikums unterbrach irgendwann Intendant Michael Klügl, um den Preis der Deutschen Theaterverlage in Empfang zu nehmen. Die Auszeichnung für Hannover ist wirklich überfällig, seit zehn Jahren engagiert sich Klügl kontinuierlich für Neue Musik und Nachwuchsprojekte, schon im April steht die nächste Uraufführung an, eine Novität des Italieners Giorgio Battistelli.