„Macbeth“: Placido Domingo stirbt schöner

Macbeth Premiere Wien Theater an der Wien 13 11 2016 Placido DOMINGO
Macbeth Premiere Wien Theater an der Wien 13 11 2016 Placido DOMINGO(c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Auch die alternative „Macbeth“-Besetzung mit dem Extenor in der Titelpartie tröstet über Unzulänglichkeiten nicht hinweg.

Verdis „Macbeth“ ist ein teuflisches Stück, dem schwer beizukommen ist. Das Theater an der Wien hat sich allerdings nach der mäßig erfolgreichen Premiere (über die Unzulänglichkeiten der Regie von Hausherr Roland Geyer und das aufwühlende Dirigat von Bertrand de Billy siehe „Presse am Sonntag“ vom 13. 11.) am Sonntag eine zweite Chance gegönnt, mit einem der nach wie vor klingendsten Namen: dem zum Bariton mutierten Placido Domingo in der Titelpartie. Am Sonntag ging dieser zweite Versuch, der kurz vor Schluss auf Domingos Wunsch in die Urfassung abbiegt (er darf da ein paar Takte mehr singen), erstmals über die Bühne.

Der Extenor arbeitet sich seit geraumer Zeit an Verdis Bariton-Partien ab und bestätigt ein ums andere Mal: Ein Tenor, der tiefer singt, ist deswegen noch kein Bariton. Es passt nicht vom Stimmcharakter, es fehlt die nötige satte Tiefe, die auch durch Volumen nicht ausgeglichen werden kann. Und dieses bietet der – 75-jährige! – Domingo stellenweise noch immer auf. Er teilt sich seine Stimme klug ein und kann in den entscheidenden Momenten, etwa bei der großen „Pietà, rispetto, amore“-Arie entsprechend zulegen. Erkauft mit Abstrichen andernorts. Vor allem aber ist es seine Intensität, die er immer wieder in die Waagschale wirft, wenn er den arg karikierenden Waschlappen-Habitus abstreift. Wo Roberto Frontali (Titelpartie der ersten Besetzung) mit Drastik des Ausdrucks zu schockieren vermag, packt Domingo durch seine Präsenz. Zuletzt: Bis heute stirbt kaum ein Sänger schöner!

Er hat auch eine andere Lady an seiner Seite, und hier steht man als Zuseher in spe vor dem Dilemma, ob man lieber die Intonationsschwächen von Adina Aaron (Erstbesetzung) in Kauf nimmt oder die übersteuerte Schärfe des Soprans von Davinia Rodriguez, die ihr Heil in einem schrillen Einheitsgrell suchte. Am besten weder noch.

Letztlich behält die Mathematik recht: Minus und Plus ergibt Minus. Auch ein Weltstar kann aus einer verkorksten Produktion keinen gelungenen Abend machen. (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2016)

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