V. li.: Alex Penda (Mrs. Slender), Christoph Pohl (Falstaff), Anett Fritsch (Mrs. Ford).

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Wien – Nicht nur Elvis lebt wohl noch, schlabbert irgendwo wahrscheinlich seine geliebten Erdnussbutter-Banane-Bacon-Sandwichs; auch der umtriebige Don Giovanni weilt noch auf Erden. Nach seiner Höllenfahrt hat er ein Ticket ins Diesseits buchen können und sich als Tarnung einen Stoffwanst umgeschnallt. Er sieht aus wie Dick, der Doof verspeist hat; er nennt sich nun aber Sir John Falstaff.

Eine gewisse Zeit hält Regisseur Torsten Fischer im Theater an der Wien seine Giovanni-Idee verborgen. Er lässt Antonio Salieris unbelehrbar selbstbewussten und nicht zu bändigenden Falstaff ins aktuelle Brexit-Königreich hereintrampeln. Im Umfeld des britischen Königshauses irritiert er Partygäste, schleicht sich an Damen ran, die eindeutig auf bekannte Gesichter verweisen: Anett Fritsch, als Mrs. Ford ganz in ihrem differenziert-komödiantischen Element (und vokal herausragend) ist an Kate Middleton angelehnt. Mrs Slender wiederum (solide Alex Penda) kann – dank ihrer blonden Helmfrisur – nur als Camilla Parker-Bowles samt Prinz Charles (witzig Arttu Kataja als Mr. Slender) gedeutet werden. Und natürlich ist die Königin – eingeweiht in das Vorführen des dicken Verführers – sehr amüsiert über die Vorgänge.

Die heitere Travestie, die mit Christoph Pohl (als Falstaff) einen virtuosen und gesanglich kultivierten Advokaten tragisch-egomaner Anwandlungen hat, findet in einem weißen Palaisraum statt. Von dessen Decke darf ein großer Spiegel herabgleiten, um die Vorgänge auf der Bühne durch Verdopplung zu intensivieren. Auch eine vorrückende Hinterwand vermag den Spielraum zu verengen (Ausstattung: Herbert Schäfer/Vasilis Triantafilopoulos). Also: Es bewegt sich unentwegt etwas, es regnet auch winzige Bälle von der Bühne, die in einer Art Pool landen, worin wiederum zwischendurch ein großer Teil der Protagonisten verschwindet und wieder auftaucht.

Die Eifersuchtskomödie allerdings kippt schließlich ins Ernste, da sich besagter Giovanni-Gefühlsmoment einschleicht: Falstaff legt sein Theaterfett ab, entpuppt sich als für Mrs. Ford durchaus interessant, sie wankt, als wär sie quasi Donna Anna.

Tja. Ihr Gatte (intensiv Maxim Mironov als Mr. Ford) hatte nicht grundlos gerast, sich als 007 verkleidet, um zum Thema Untreue zu spionieren. Nicht wissend, dass hier das ganze Tohuwabohu in Falstaffs Kompagnon (hervorragend gesanglich Robert Gleadow als Bardolf) eine diabolische Lenkfigur hat. Die Mephisto-Idee wirkt etwas aufgesetzt. In Summe jedoch wurde es eine originelle szenische Fantasie.

Laurel und Hardy trafen Queen Elizabeth und Prinz Philip und die Figuren auf ihre inneren Widersprüche. Und dies alles flott erzählt. Entscheidend aber auch: Die historisch informierte Akademie für Alte Musik Berlin unter der kundigen und zupackenden Leitung von René Jacobs hauchte der effektvoll-farbenreichen, melodiös jedoch recht biederen Ideenwelt Antonio Salieris kantiges und prägnantes Leben ein. Applaus für alle. (Ljubisa Tosic, 13.10.2016)