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42. Festival della Valle d' Itria

Martina Franca
14.07.2016 - 05.08.2016

 

Francesca da Rimini

Dramma per musica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Saverio Mercadante

In italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3 h 40' (eine Pause)

Premiere im Palazzo Ducale am 30. Juli 2016
(rezensierte Aufführung: 02.08.2016)

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Verspätete Uraufführung

Von Thomas Molke / Fotos: © Studio Ricordi (Festival della Valle d' Itria)

Saverio Mercadante zählt neben Giovanni Pacini zu den bedeutendsten italienischen Opernkomponisten der Übergangszeit zwischen Vincenzo Bellini und Giuseppe Verdi und hat mit dem von ihm bezeichneten "canto dramatico" eine Reform der italienischen Oper eingeleitet, die heutzutage eher Verdi zugeschrieben wird. Dennoch hat es bis jetzt keine seiner 58 Opern ins gängige Repertoire geschafft, und man kann sich meistens nur bei Opernfestspielen wie beispielsweise in Wexford, Bad Wildbad oder Martina Franca von den Qualitäten seiner Musik überzeugen. Eine besonders tragische Stellung nimmt dabei seine Oper Francesca da Rimini ein, die nicht einmal zu Mercadantes Lebzeiten uraufgeführt worden ist. Ursprünglich hatte er das Werk um 1830 für Madrid komponiert, wo er sich zu dieser Zeit niedergelassen hatte. Dort befand sich die ehemals sehr erfolgreiche Sopranistin Adelaide Tosi, die allerdings der Titelpartie stimmlich nicht mehr gewachsen war. Da es aufgrund ihres Einflusses jedoch undenkbar war, die Titelrolle anderweitig zu besetzen, beschloss Mercadante, das Werk zurückzuziehen und nach Italien zurückzukehren, wo er es in Mailand zur Uraufführung bringen wollte. Hier war es dann die berühmte Sängerin Giuditta Pasta, die die Uraufführung boykottierte, weil es ihr nicht angemessen erschien, nur in der Hosenrolle des Paolo aufzutreten, während eine andere jüngere Sopranistin die Titelpartie übernahm. So verschwand das Werk in den Archiven, ohne jemals aufgeführt worden zu sein. Als das Wexford Festival Opera vor drei Jahren die Oper auf den Spielplan stellen wollte, gab es rechtliche Probleme. Wahrscheinlich beanspruchte Ricardo Muti, der zwei Jahr zuvor bei den Salzburger Pfingstfestspielen mit der Wiederentdeckung von Mercadantes I due Figaro für internationale Aufmerksamkeit gesorgt hatte, die Uraufführung für sich. Doch diese folgte nicht, und nun ist es dem Festival della Valle d' Itria mit 186 Jahren Verspätung gelungen, dieses Werk endlich zu präsentieren, und man kann bei der großartigen Musik und der hervorragenden Inszenierung nur hoffen, dass diese Produktion bald auf DVD und CD erscheinen wird.

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Guido (Antonio Di Matteo, links) versichert Lanciotto (Mert Süngü, rechts) die Treue seiner Tochter Francesca.

Das Libretto von Felice Romani geht auf eine historische Begebenheit aus dem 13. Jahrhundert zurück, wonach Francesca da Rimini und ihr Schwager Paolo beim Ehebruch ertappt wurden und beide von Francescas Ehemann Giovanni (in der Oper Lanciotto) im Bett getötet wurden. Dante Alighieri setzte ihr ein Denkmal in seiner berühmten Divina Commedia, wo er ihr als Erzähler im fünften Gesang in der Hölle begegnet. Hier wird sie im zweiten Höllenkreis in ewiger Umarmung mit ihrem Geliebten Paolo von einem endlosen Sturm umher getrieben. Diese Geschichte inspirierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche Schriftsteller, und Romani schuf ein Libretto, das ursprünglich von Feliciano Strepponi vertont werden sollte. Hier ertappt Lanciotto seine Gattin Francesca und Paolo zwar ebenfalls in einer innigen Umarmung im Schlafzimmer, während die beiden die tragische Geschichte von Guinevere und Lancelot lesen, bringt sie allerdings nicht sofort um, sondern lässt sie zunächst in den Kerker werfen, wo er sie hinrichten lassen will. Doch Francescas Vater Guido befreit Francesca und Paolo und lässt seine Tochter einen Friedenskontrakt zwischen Rimini und Ravenna unterzeichnen, wenn ihr dafür gestattet wird, ins Kloster zu gehen. Auf dem Weg dorthin trifft sie noch einmal auf Paolo, der sich aus Liebe zu ihr das Leben nehmen will. Francesca schwört ihm erneut ewige Liebe, als Lanciotto auftaucht, um seinen Bruder zu töten. Francesca wirft sich dazwischen und wird dabei tödlich verwundet, woraufhin sich Paolo das Leben nimmt.

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Doch Francesca (Leonor Bonilla, mit Damen des Chors) liebt Paolo.

Pier Luigi Pizzi lässt sich in seiner Inszenierung sehr von Dantes Beschreibung in der Divinia Commedia inspirieren und überträgt den Sturm, der Francesca im zweiten Höllenkreis leiden lässt, auf die Bühne. An den Seiten wehen riesige schwarze Tücher, und auch die weiten Gewänder der Figuren werden von einem ständigen Windzug in Bewegung gehalten. Dabei setzt Pizzi bei den Kostümen auf klare farbliche Akzentuierungen. Francescas wallendes Kleid ist in Feuerrot gehalten, was zum einen ihre leidenschaftliche Liebe zu Paolo zum Ausdruck bringt und zum anderen auch für den Höllenkreis steht, in dem sich Francesca nach ihrem Tod gemäß Dante aufhält. Paolos dunkles Cape ist mit einer dunkelblauen Innenseite versehen, die für seine ewige Treue zu Francesca steht. Lanciotto hingegen trägt unter seinem schwarzen Cape Gelb als Farbe der Eifersucht. Das lilafarbene Gewand von Francescas Vater und der hohe Hut unterstreichen seine einflussreiche Stellung als Graf von Ravenna. Der Chor ist in Schwarz und Weiß gekleidet, wobei die Frauen in ihren weißen Gewändern zunächst an unschuldige Bräute erinnern, bevor sie im zweiten Akt ein schwarzes Cape überlegen, was sie als Gefährtinnen auf Francescas Weg ins Kloster zeigt. In einer Choreographie von Gheorghe Iancu werden auch Tänzerinnen und Tänzer eingefügt, die die Instrumentalpassagen mit fließenden Bewegungen unterstützen. Das wirkt zwar stellenweise ein wenig kitschig, stört das positive Gesamtbild der Inszenierung aber nicht weiter.

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Francesca (Leonor Bonilla) und Paolo (Aya Wakizono) werden von Guido (Antonio Di Matteo) und vom Volk überrascht.

Ansonsten verlässt sich Pizzi ganz auf die Macht der Musik, und das zu Recht. Was Mercadante an großartigen Ensembles, Szenen und Arien in dieser Oper komponiert hat, macht es unvorstellbar, dass die Uraufführung eines solch herausragenden Werkes wirklich fast 200 Jahre auf sich hat warten lassen. Dabei konzentriert sich die Musik fast ausschließlich auf die drei Hauptcharaktere Francesca, Paolo und Lanciotto, die in Martina Franca hochkarätig besetzt sind. Direkt zu Beginn kann Mert Süngü als Lanciotto mit sauber ausgesungenen Höhen und klarer Diktion deutlich machen, welche Zweifel Lanciotto bezüglich seiner Gattin quälen, wobei Mercadantes Musik unterstreicht, dass Lanciotto seine Gattin wirklich liebt. Pizzi lässt die Solisten während ihrer großen Arien auf einen Steg vor das Orchester treten, um eine noch großere Nähe zum Publikum zu erzeugen. Nach einer großen Szene zwischen Süngü und Antonio Di Matteo als Guido, in der dieser Lanciottos Zweifel mit profundem und beruhigend wirkendem Bass zu verstreuen versucht, hat dann Leonor Bonilla als Francesca ihren ersten großen Auftritt. Das rote Gewand weht ihr dabei ins Gesicht, als ob sie sich bereits im Höllenkreis befände. Bonilla punktet in ihrer ersten Szene mit dramatischen Höhen und stupenden Läufen. Auch das folgende Terzett zwischen Francesca, Lanciotto und Guido stellt einen weiteren musikalischen Höhepunkt dar.

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Paolo (Aya Wakizono) und die tote Francesca (Leonor Bonilla)

Es folgt der erste Auftritt von Aya Wakizono als Paolo, der vor der natürlichen Kulisse des Palazzo Ducale betörend in Szene gesetzt wird. Mit warmem Mezzosopran und beweglicher Stimme macht Wakizono die Leiden des jungen Mannes, der unsterblich in seine Schwägerin verliebt ist, nachvollziehbar. Wunderbar gestaltet Wakizono das folgende Duett mit Sürsü, in dem Lanciotto seinem Bruder seine Zweifel bezüglich Francesca mitteilt. Der Höhepunkt im ersten Akt wird dann erreicht, wenn Wakizono als Paolo seine Geliebte Francesca in ihrem Schlafgemach aufsucht. Mit welcher Innigkeit Wakizonos Mezzo und Bonillas Sopran zu den zarten Klängen der Harfe und einem im weiteren Verlauf der Oper ständig wiederkehrenden Motiv zusammenfinden, während die beiden das Schicksal von Guinevere und Lancelot beklagen, geht unter die Haut. Fabio Luisi leuchtet mit dem Orchestra Internazionale d'Italia die Emotionalität der Musik hervorragend aus und trägt Wakizono und Bonilla auf einem regelrechten Klangteppich. Unterstützt wird diese Szene von Letizia Giuliani und Francesco Marzola, die Francescas und Paolos Gefühle in anmutigen Tanzbewegungen umsetzen. Aus dieser perfekten Harmonie wird man dann von Lanciottos Auftritt gerissen, der den ersten Akt fulminant enden lässt.

Auch der zweite Akt hält für Bonilla, Wakizono und Mürsü weitere musikalische Höhepunkte bereit, die dann schließlich in Francescas und Paolos Tod gipfeln. Francesca stürzt sich hierbei selbst in Paolos gezücktes Schwert, bevor dieser sich kurz entschlossen selbst richtet. Mercadante verzichtet an dieser Stelle auf große Arien für die beiden. Stattdessen werden sie mit einem wehenden roten Tuch bedeckt, während Francescas Vater verzweifelt das Schicksal seiner Tochter beklagt. In den kleineren Partien überzeugen Larisa Martinez als Francescas Vertraute Isaura mit weichem Mezzo und Ivan Ayon Rivas als Guelfo mit leichtem Tenor. Der von Cornel Groza stimmgewaltig einstudierte Coro della Filarmonica di Stato"Transilvania" di Cluj-Napoca gefällt durch gut positionierte Standbilder, die aufgrund des ständigen Wehens der Kostüme keineswegs statisch wirken. So gibt es nicht nur am Ende der Aufführung frenetischen Applaus für alle Beteiligten. Bedauerlich ist nur, dass einige Plätze in dieser zweiten Aufführung frei blieben.

FAZIT

Wer dieses szenisch und musikalisch hochkarätige Belcanto-Juwel in Martina Franca verpasst haben sollte, kann nur hoffen, dass die Produktion als DVD herausgegeben wird. Außerdem bleibt zu hoffen, dass auch weitere Opernhäuser dieses Werk auf ihren Spielplan stellen werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fabio Luisi

Regie, Bühne und Kostüme
Pier Luigi Pizzi

Choreographie
Gheorghe Iancu

Licht
Camilla Piccioni

Chor
Cornel Groza

 

Coro della Filarmonica di Stato
"Transilvania" di Cluj-Napoca

Orchestra Internazionale d'Italia


Solisten

Francesca
Leonor Bonilla

Paolo
Aya Wakizono

Lanciotto
Mert Süngü

Guido
Antonio Di Matteo

Isaura
Larisa Martinez

Guelfo
Ivan Ayon Rivas

Tänzerinnen und Tänzer
Letizia Giuliani
Francesco Marzola

Paolo Bruno
Anita Caprara
Alessandro Colaninno
Antonella Colella
Silvia Di Pierro
Diletta Filippetto
Giovanni Fumarola
Cristian Leuci
Giovanna Pagone
Lara Angela Rocco
Raffaele Vittozzi


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