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"Turandot" auch bei 71. Bregenzer Festspiele runde Sache

Der Männermord bleibt 2016 eine runde Sache. Marco Arturo Marellis "Turandot" erweist sich auch in der zweiten Saison bei den Bregenzer Festspielen als stimmige Inszenierung des Puccini-Werks. Und einer wuchs bei der Reloaded-Premiere auf der Seebühne am Donnerstagabend im Vorjahresvergleich sogar über sich hinaus: Das Wetter. So konnten die Zuschauer das Spektakel völlig trocken genießen.

"Turandot" auch bei 71. Bregenzer Festspiele runde Sache
"Turandot" auch bei 71. Bregenzer Festspiele runde Sache

Wobei "Spektakel" als der falsche Ausdruck erscheint, setzt der 66-jährige Schweizer Marelli doch eher auf eine ästhetische, denn eine monumentale Ausgestaltung von Giacomo Puccinis letzter Oper. Ungeachtet aller Feuerkünstler, Kampftänzer und Wasserfontänen, konzentriert sich das Geschehen letztlich in der Mitte der enormen Anlage im Bodensee. Die 72 Meter lange Chinesische Mauer, die Marelli - wie immer in Personalunion als Bühnenbildner tätig - ins Wasser stellt, bleibt zwar Blickfang, wird aber nur moderat bespielt. Und die 205 Terracottakrieger, welche die Mauer als Sinnbild eines Gewaltregimes durchbrechen und im See versinken, bleiben ebenfalls ungenutzte Staffage - sieht man von Davy Cunninghams suggestiver Lichtregie ab.

Das eigentliche Kernstück ist der Bühnenzylinder mit 16 Metern Durchmesser in der Mitte der Konstruktion, der als ausfahrbare Drehbühne dient, deren Unterteil zwei weitere Spielflächen bereithält. Darüber hinaus wird die Unterseite des aufklappbaren Bodens auch noch zur Leinwand für Asia-Klischeeprojektionen.

Die Änderungen, die "Turandot"-Experte Marelli an seiner Inszenierung vorgenommen hat, fallen moderat aus. Einige Verdichtungen im zweiten Akt wurden aus seiner Staatsopern-Premiere im April auch in Vorarlberg eingeflochten. Unverändert blieb hingegen leider die Idee, den brautwerbenden Prinz Calaf als Imitator seines Schöpfers Puccini zu stylen. Als schnurrbärtiger 20er-Jahre-Dandy stolpert die Figur so jedoch durch ein ästhetisiertes China, ohne dass diese Deutungsebene irgendwie ausgelotet würde.

Konstant blieb auch das Sängerensemble im Vergleich zum Vorjahr. Anstelle von Riccardo Massi durfte heuer allerdings der Mexikaner Rafael Rojas zur Premiere das "Nessun dorma" samt mühsam erkämpftem H schmettern. Erneut zum Publikumsliebling schwang sich jedoch Guanqun Yu als sich opfernde Dienerin Liu auf, die mit schellendem, höhensicherem Sopran die Zuschauerherzen für sich eroberte. Mlada Khudoley besitzt für die Turandot die nötige Schärfe als männermordende Femme fatale, während Rojas streckenweise mit einem Italienisch irritierte, das an die deutsche Aussprache der Hape-Kerkeling-Figur Horst Schlemmer erinnerte.

Ein echter Volltreffer blieb auch am zweiten Abend der Festspiele Dirigent Paolo Carignani. Dem Italiener, der schon im Vorjahr im "Turandot"-Team war und am Mittwoch die fulminante Hausoper "Hamlet" inaugurierte, gelingt mit den Wiener Symphonikern eine "Turandot" voller Italianita ohne Schmiere und mit harter Rhythmik in hohem Tempo, was zum Stückcharakter passt. So kann das Morden der Turandot bis zum 21. August munter weitergehen, bevor im kommenden Jahr mit "Carmen" die nächste Femme fatale das Kommando auf der Seebühne übernimmt.

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