Wagner-Oper in Leipzig : Putzig, diese Widder vor Frickas Wagen
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Das geht böse aus, wissen die drei Nornen: Kathrin Göring, Oleena Tokar und Karin Lovelius (von links). Bild: Tom Schulze
Leipzig hat wieder einen „Ring“: Mit der „Götterdämmerung“ ist Richard Wagners Opern-Tetralogie nach drei Jahren vollendet. Es wird viel getanzt dabei.
Während es in Bayreuth wieder turbulent zugeht, ist in einer anderen Richard-Wagner-Stadt die Opernspielzeit fulminant, doch ohne großen Krach zu Ende gegangen: Leipzig hat wieder einen vollständigen „Ring des Nibelungen“. Seit der „Rheingold“-Premiere 2013 war daran gearbeitet worden, jetzt ist auch die „Götterdämmerung“ fertig. Mit der legendären Joachim-Herz-Inszenierung der Tetralogie in den siebziger Jahren, dem letzten kompletten Leipziger „Ring“, lässt sich der neue Kraftakt freilich nicht vergleichen. Wie sich nach den zwei zyklischen Aufführungen am Saisonende erwies, ist die Neuproduktion eher ein Stück solider Handwerksarbeit, musikalisch allerdings von Premiumqualität.
Die Messe- und Musikstadt reklamiert Wagner gern für sich („Richard ist Leipziger“), auch wenn die Spuren, die er dort hinterließ, eher gering sind. Immerhin ist er in Leipzig geboren, hat dort sieben Jahre verbracht, und außerdem wurde schon 1878, zwei Jahre nach der Uraufführung, der „Ring“ in Leipzig mit ausdrücklicher Genehmigung Wagners zum ersten Mal außerhalb Bayreuths in Szene gesetzt.
Die Wagner-Pflege lässt zu wünschen übrig
Leipzig feiert seine Musiker gern. Zu Wagners zweihundertstem Geburtstag 2013 gab es eine Flut von Konzerten, Opernpremieren, Ausstellungen oder Symposien. Sie ist inzwischen abgeebbt, die sichtbare Wagner-Pflege in Leipzig beschränkt sich fast nur noch auf das damals enthüllte Denkmal von Stephan Balkenhol und eine von 2013 verbliebene Dauerausstellung in der von Wagner nur für kurze Zeit besuchten Alten Nikolaischule. Ins ungemütliche Untergeschoss verbannt, zeichnet diese Schau immerhin ein recht anschauliches Bild von der Herausbildung eines musikalischen Genies und Lebenskünstlers.
Auch abseits der Gedenkfeiern könnte Leipzig mit seinen Wagner-Pfunden besser wuchern. Diese Erkenntnis scheint den Opernchef Ulf Schirmer angetrieben zu haben, den neuen „Ring“ auf lange Sicht anzulegen. Längst hat er die frühen Wagner-Opern „Die Feen“ und „Das Liebesverbot“ im Repertoire, „Rienzi“ ist schon seit 2007 verfügbar. Zuletzt waren die drei Stücke bei den diesjährigen „Wagner-Festtagen“ im Mai zu sehen. Auch der „Parsifal“ taucht immer wieder im Spielplan auf. Über kurz oder lang will Schirmer, dessen Vertrag bis 2020 läuft, offenbar das gesamte musiktheatralische Werk Richard Wagners im Haus verankern.
Die szenische Gestaltung des neuen „Rings“ mit den Bühnenbildern von Carl Friedrich Oberle reißt kaum mit. Das „Rheingold“ spielt in einem etwas heruntergekommenen Industriegebäude, auf dem Walkürenfelsen ist ein monumentaler Bau schon in arge Schieflage geraten; im „Siegfried“ ist er ausgebrannt und völlig marode. In der „Götterdämmerung“ dient das Einheitsbühnenbild eines hohen Säulensaals als Webeplatz für das Schicksalsseil der Nornen wie als Gibichungenhalle und Raststätte bei der Jagd, schließlich als Aufbahrungsort für den toten Siegfried, der auf einem Konzertflügel hereingefahren wird. (Schon in Herbert Wernickes genialem Brüssel-Frankfurter „Ring“ vom Anfang der neunziger Jahre war das Klavier ein zentrales Requisit.) Bei alldem soll anscheinend ein Zeitfortschritt vom Ende des neunzehnten Jahrhunderts bis in die heutigen Tage sichtbar werden, doch das vermittelt sich bestenfalls, wenn Mime im „Siegfried“ auf dem Fahrrad zur Neidhöhle fährt oder wenn Gunther in der „Götterdämmerung“ im modernen Anzug mit Manager-Gehabe auftritt.