Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Tristram Kenton

Aktuelle Aufführungen

Tradition und schöne Bilder dominieren

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
(Richard Wagner)

Besuch am
7. Juni 2016
(Premiere am 24. Mai 2011)

 

 

Glyndebourne Festival

Bei der Erwähnung des Namens Glyndebourne bekommen Opernfreunde immer wieder verträumte Augen oder äußern die langjährige Begierde, einmal dorthin zu fahren. Seit über 80 Jahren werden auf dem Landsitz Opern aufgeführt. Mittlerweile steht dort ein richtiges Opernhaus für über 1000 Besucher mit professioneller Ausstattung. Das auch schon wieder 22 Jahre und die Opernsaison läuft von Mai bis Oktober. Es ist die Symbiose zwischen hochwertigen Opernaufführungen und der Abgeschiedenheit in der bezaubernden hügeligen Landschaft Südenglands, die das Herz vieler höherschlagen lässt. 

Umgeben von äsenden Schafen spaziert man über den kurzgeschorenen Rasen und durch den prachtvoll angelegten Garten mit Teich, Blumen und kleinen verträumten Plätzen der Ruhe. Und dann das typische englische Picknick, das man erleben muss. Schon vor Beginn der Aufführung sieht man die noble englische Upper Class im eleganten Zwirn und sommerlichen Strohhut – der Sonne sei Dank – Tische, Sessel sowie Kühltruhen und andere Utensilien schleppen. Jeder versucht für sich und seine Lieben das lauschigste Plätzchen zu finden. Die edlen Begleiterinnen helfen tatkräftig. So herrscht reges Treiben und Schuften anstatt andächtigem Schlendern. Einmal installiert, knallen dann die Korken zur Belohnung. Kaum vernehmbar rufen von Hand geläutete Glocken zum Beginn des Opernabends.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Auf der Bühne gibt es in der Inszenierung von David McVicar ebenso einiges zu beobachten. Seine Regie-Arbeit aus dem Jahr 2011 ist die erste Aufführung dieser Oper in Glyndebourne. Unterhaltsames heiteres Treiben ist stimmungsvoll in die intelligente Bühnengestaltung von Vicki Mortimer gepackt. Ein helles, gotisches Gewölbe umrahmt und verkleinert in allen Akten den Schauplatz und zentriert das Geschehen. Massenszenen wirken so mächtiger, klein besetzte Szenen intimer. Viel Aufmerksamkeit hat McVicar der Personenregie mit kleinen Gesten, Bewegungen und Haltungen geschenkt. Ausgesprochen geschmackvoll sind die Farben und der Schnitt der historischen Kostüme.

Foto © Tristram Kenton

Musikalisch wird die diesjährige Aufführungsserie vom jungen Dirigenten Michael Güttler geleitet, der für den erkrankten Robin Ticciati eingesprungen ist. Es ist das erste Mal, dass er das Hausorchester von Glyndebourne, das London Philharmonic Orchestra, führt. Er macht das mit Vorsicht und Umsicht. Die Ouvertüre lässt er statisch mächtig erscheinen. Exakt im Dirigat fehlt der Schwung und Aufbau der Dramatik. Den Sängern gibt er mit einem feinen Klangteppich und ruhigen Tempi Unterstützung.

Die Besetzung bringt ein Wiedersehen mit einigen Sängern, die am Beginn ihrer Karriere hier Mitglieder des Chores waren. Das gilt für Gerald Finley als Hans Sachs, der mit seiner gut verständlichen und kräftigen Interpretation des gutmütigen Schusters viel Beifall erntet, ebenso wie für Alastair Miles, dessen Pogner stimmliche Grenzen im Alter aufzeigt. Sein Glyndebourne-Debüt gibt Michael Schade und müht sich als Walther von Stolzing sowohl mit Wortverständlichkeit als auch mit Höhen. Sein Tenor wirkt belegt, blass und strahlt keine Wärme aus. Amanda Majeski gestaltet ihre Eva selbstbewusst, aber zurückhaltend und ergeben. Ihre Stimme gleitet ruhig in allen Lagen, zeigt Volumen und weiches Timbre. Die Herzen des Publikums gewinnt Jochen Kupfer mit seiner Gestaltung des Sixtus Beckmesser. Groß und schlank von Statur, wird er in einen engsitzenden Anzug gezwängt, der den Eindruck des Asketen und Sonderlings noch verstärkt. Leicht giftig im Ausdruck intoniert er lehrmeisterhaft exakt. Stimmlich liegt ihm die Partie und zeigt ihre Vielfalt und Flexibilität. Ebenso gelingt David Portillo ein ausdrucksstarkes Rollendebüt als David. Vom Lehrling zum Gesellen mutiert er durch eine lyrische und gesangliche fehlerfreie weiche Interpretation.

Gut vorbereitet und mit viel Spielfreude zeigt sich der Festspielchor, der die Massenszenen zu einem bunten, lauten, aber wohlklingenden Auflauf macht. Mit Stelzenläufern, Feuerspuckern und Artisten wirkt die Festwiese sehr authentisch und ohne den fallenden Vorhang setzt der Applaus erst mit Verzögerung vom begeisterten Publikum für diese lebendig gestaltete und in der Umsetzung sehr gelungene Interpretation ein.

Helmut Pitsch