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Bühne und Konzert Anna Netrebko

Manche schwärmen von ihrem besten „Lohengrin“ jemals

Freier Feuilletonmitarbeiter
Anna Netrebko und Piotr Beczala im Dresdner „Lohengrin“ Anna Netrebko und Piotr Beczala im Dresdner „Lohengrin“
Anna Netrebko und Piotr Beczala im Dresdner „Lohengrin“
Quelle: Daniel Koch / Semperoper Dresden
Und das in Dresden: In der Semperoper lassen Anna Netrebko, Piotr Beczala und Christian Thielemann den guten, alten „Lohengrin“ von Richard Wagner ziemlich international klingen. Gut so!

Damals, 1983, regierte noch in Berlin Erich in seinem Lampenladen, und in Dresden strebte die Semperoper ihrer Wiederaufbauvollendung entgegen. Unterdessen inszenierte nebenan, im Staatsschauspiel, seit der Zerstörung Dresdens Opernausweichquartier, die 34-jährige Christine Mielitz, Meisterschülerin Harry Kupfers, einen neuen „Lohengrin“.

Wer aber hätte gedacht, dass diese merkwürdig wilhelminisch säbelrasselnde Produktion in ihrer nunmehr 112. Aufführung im originalgetreu rekonstruierten Opernhaus und 33 Jahre später im wiedervereinten Deutschland zu einem der international heiß umkämpften Termine der Opernsaison 2015/16 werden würde? Weil hier die gegenwärtig berühmteste Sopranistin in ihrer ersten Wagner-Rolle unter Stabführung des wohl besten Wagner-Dirigenten und an der Seite eines der tonangebenden, ebenfalls erstmals als Lohengrin antretenden Tenöre debütierte.

Und so war es dann auch auch: beifallsumtost, bejubelt, großartig! Manche schwärmten gar von ihrem besten „Lohengrin“ jemals, mindestens aber von einer der tollsten zehn Opernvorstellungen ihres Lebens. Vielleicht auch, weil bis auf das statische märchenhaft-repräsentative nur noch „nach einer Inszenierung von“ ausgewiesene Bühnengeschehen nichts den Musikgenuss störte, die Besetzung handverlesen und wirklich traumhaft war. Und vielleicht auch, weil ausgerechnet im Pegida-verschmutzten Dresden mit seinen beständigen fremdenfeindlichen Montagsaufmärschen auf dem Theaterplatz vor der Oper drinnen eine Russin, zwei Polen, ein Australier und zwei Westfalen unter anderem gegen „die Drangsal aus Osten“ musikalisch angingen.

„Euch Lüften, die mein Klagen“

So ändern sich die Zeiten. Und so entwickeln sich auch Karrieren. Wer hätte 2002, nach der mädchenhaften Salzburger Sensationsdonna Anna im von Nikolaus Harnoncourt dirigierten „Don Giovanni“ gedacht, dass sich Anna Netrebko 2018 im neuen Bayreuther „Lohengrin“ wiederfinden würde! Denn das ist das jetzt völlig realistische Fernziel dieses erfolgreichen Dresdner Probelaufs; auch auf dem Grünen Hügel wird dann Christian Thielemann im Graben sitzen.

Als wäre es ein Duett des frühen Verdi: Anna Netrebko und Piotr Beczala im Brautgemach
Als wäre es ein Duett des frühen Verdi: Anna Netrebko und Piotr Beczala im Brautgemach
Quelle: Daniel Koch / Semperoper Dresden

Die Netrebko hat für ihre Verhältnisse lange – sechs Wochen – an der Rolle gearbeitet, vollkommen ist diese Elsa noch nicht, aber das macht sie wohlmöglich noch berührender. Von der passiv barmenden blonden Mittelaltermaid hat sich die Rezeptionsgeschichte ja schon längst verabschiedet. Aber die meist nordisch-deutschen Rollenprotagonistinnen in unseren gar nicht so trüben Wagner-Tagen haben zwar längst beseelte, nicht immer nur instrumental geführte Stimmen aufzubieten, aber bei den meisten hört man doch stets noch den Keuschheitsgürtel mitklappern.

Nicht so bei Netrebko. Die ist beim ersten Auftritt noch barmende Unschuld in Weiß und in Ketten, statisch harrend, ihr heikles, fast unbegleitetes Anfangsarioso überbetont wortdeutlich ausformend, ein wenig Eliza Doolittle, die sich um „Es grünt so grün …“ müht. Und auch im „Euch Lüften, die mein Klagen“ gibt es einige Wackler, ein Wagner-Legato strömt eben anders als ein russisches oder französisches. Freilich singt sie sich in gutem Deutsch freier, begeistert mit glühenden Spitzentönen, wird aktiver, als Charakter packender; obwohl als Märchenprinzessin aus dem Hermlin-Bilderbuch ausstaffiert.

„Es gibt ein Glück, das ohne Reu’“

Piotr Beczalas Schwanenritter darf als solcher hereinfahren, auch ihn kleiden rotsamtenes Wams und silbernes, paco-rabanne-artiges Kettenhemd ungemein. Die Stärke des Polen war noch nie seine Höhe, hier kann er mit männlich viriler Mittellage prunken, die die Retterutopie Wagners sehr fleischlich tönen lässt. Die Gralserzählung singt er makellos durchgeformt, aber der Höhepunkt ist das Brautgemacht: Obwohl es, leider, leider, nicht zum Vollzug kommen darf, die fatale Frage steht dazwischen, das atmet eine selten so gehörte Klangsinnlichkeit. Wagner wird in gleißendem Licht als italophiler Melodiker vorgeführt, der zwei Prachtstimmen auf der Höhe ihres Könnens zum hellsten Glanz poliert.

Und so wie in der großen Elsa-Ortrud-Szene Anna Netrebko gerade im schartigen Gegensatz zur grellstes Kreischen in Kunst verwandelnden Evelyn Herlitzius als makellose Lyrikerin in einer Glut sondergleichen schwelgt, und „Es gibt ein Glück, das ohne Reu’“ zur allerschönsten (auch sexuellen) Verheißung ausdeutet, so steigern sich sie und Beczala im dritten Akt in kaum für möglich gehandelten Maße.

Das ist ein Sehren und Sehnen, welches das Publikum in der akustisch dafür grandiosen Semperoper kollektiv den Atem anhalten lässt. Denn Christian Thielemann, darin zeigt sich seine einsame Klasse als Sängerbegleiter, greift das auf und lässt auch Richards Wunderharfe voller klingen, mit durchaus fettem, nie grellem Blech, kriegerisch-grimmig schmettern, auch hinreißend schmachten – mit nie öligen Streicherläufen.

Ein Lohen-Dream!

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Vor drei Jahren noch hat er die gleiche Inszenierung für die vokalen Best-Ager Soile Isokoski und Robert Dean Smith als opakes, lyrisches Aquarell zelebriert, passend zu den romantisierenden Genien auf dem Zwischenvorhang. Die müssen jetzt im Vorspiel nach zaghaft zartblauem Geigengekräusel schon sehr satte Fanfaren hinnehmen; die allerdings noch einmal im wohlig ausgekosteten Nichts verebben. Im weiteren Verlauf aber packt Thielemann ordentlich zu, die Staatskapelle kann auch das mit nobler Klasse, und macht Tempo – auf der Bühne wird schon genug gestanden, geschritten und zelebriert.

Weil Chöre und Orchester souverän ihr Wagner-Werk beherrschen, weil der schlankstimmige und doch sonore Georg Zeppenfeld ein heldisch-menschlicher, wirklich famoser König Heinrich ist und Tomascz Konienczny der fiesen Telramund-Partie größtmöglichen Knorz-Wohlklang angedeihen lässt, auch der Heerrufer Derek Walton punktet, rundet sich diese Aufführung musikalisch zum Lohen-Dream.

Die hoffentlich (!) in irgendeiner Form weiterleben wird, aufgezeichnet und umsonst live auf den Theaterplatz übertragen wird jedenfalls am Sonntag. Selbst dafür lohnt also die Opernfahrt nach Dresden. Und wäre jetzt auch noch eine Inszenierung zu diskutieren gewesen, ja dann wäre dieses „Lohengrin“-Glück wirklich vollkommen – und ohne Reu’.

Was unser Opern-Kritiker bei den Hardrockern erlebte

Roter Teppich, gediegene Atmosphäre - so ist es Opernkritiker Manuel Brug gewohnt. Und so erlebte er es auch in diesem Jahr in Bayreuth. Leider haben wir ihn da abgezogen - zum Einsatz nach Wacken...

Quelle: Die Welt

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