Die letzte Opernproduktion der Saison zeigt Verdis gespenstischen Macbeth in einer Wiederaufnahme von 2008. Das Drama nach Shakespeare ist nach Hamlet die zweite Oper nach einer literarischen Vorlage des englischen Dichters, mit dem die Göteborger Oper im Shakespeare-Jahr 2016 mitfeiert. Um Schönheit geht es nicht im Macbeth, darin waren sich Shakespeare und Verdi einig. Ein Blutbad folgt dem nächsten, Geistererscheinungen führen zu Angstträumen und zum Schluss muss der „Held“ Macbeth lernen, dass der Zweck doch nicht alle Mittel heiligt.

Regisseur David Radok hüllt die dramatische Handlung in ein zeitloses Gewand. Unruhige, graue Muster dominieren den Hintergrund, während sich die Akteure in Kostümen in satten dunklen Farben davon abheben. Die spärlichen Requisiten werden vor allem genutzt, um das Unheimliche der Geschichte zu unterstreichen. Blutverschmierte Gewänder schweben als Geistern durch die Luft, Puppen als Abbilder von hilflosen Menschen und ein verschmutzter Brunnen, der jeden Versuch des Reinwaschens vergeblich macht, erzeugen eine Atmosphäre voll Gräuel und Schauer.

Die Solistenbesetzung aus den Reihen des Ensembles der Oper konnte sich an diesem Abend gut hören lassen. Mats Persson war mit seinem firmen Bariton für den Macbeth ideal besetzt. Den Zwiespalt zwischen Machtgier und Gewissensbissen charakterisierte er durch starke Artikulierung und bewusste Akzente mit seiner Stimme. Dirigent Antony Hermus räumte dem Protagonisten genug Raum ein, um mit allen Möglichkeiten seines Volumens zu spielen. So zögerte Mats Persson nicht, an einigen Stellen die Lautstärke ganz zurückzunehmen, doch auch wenn er nur im Piano sang, trug sich seine Stimme durch die klare Aussprache und nie nachlassende Spannung bis in die letzten Reihen.

Seine Partnerin Annalena Persson als Lady Macbeth durchlief stimmlich im Laufe der Oper mehrere Stadien. Zu Beginn dominierte der dramatische Ton ihrer Stimme, was sich in einem gutturalen Vibrato und teilweise schrillen Höhen äußerte. Eine Interpretation dieser extremen Art könnte durchaus den Wünsche Verdis entsprochen haben, der für die Rolle der Lady Macbeth eine Stimme entsprechend dem zerrütteten Charakter der Figur vor Augen hatte. Im Laufe des zweiten Aktes änderte sich aber der Ton und sie stellte dann vor allem ihren großen Stimmumfang in den Vordergrund. Ihre laute Tiefe wechselte mit sicherer Koloratur, die im Trinklied „Si colmi il calice“ besonders zur Geltung kam. Einen durch Macbeths Dolch verkürzten Auftritt brachte Anders Lorentzson als General Banquo und sprach mit seinem kernigen Klang an. Seine Stimme zeigte im Vergleich die größte Stärke und sorgte im Ensemble für eine zuverlässige Basis. In der Rolle des Macduff stach Tomas Lind hervor; sein etwas in die Jahre gekommener Tenor zeigte viel Herz und eine sattelfeste Höhe.

Als Verdi seine Oper komponierte, stellte er die dramatische Handlung auf ein Dreigestirn: Macbeth, Lady Macbeth und den Hexenchor. „Der Hexenchor dominiert das Drama“, schrieb Verdi über sein Werk, „alles geht von ihm aus. Die Hauptsache ist, dass er von Beginn an kräftig und roh ist.“ Diesen Ansprüchen des Komponisten konnte der Frauenchor der Göteborger Oper leider nicht gerecht werden. Obwohl darstellerisch sehr überzeugend, fehlte den Stimmen vor allem die Kraft, die ich mir für diese Rolle gewünscht hätte: Sowohl in Kombination mit ihren männlichen Kollegen als auch mit dem Orchester gingen die weiblichen Stimmen im Klangbild unter. Der Männerchor zeigte stets Einheitlichkeit und sorgte an den gemischten Stellen für die nötige Durchsetzungskraft des Chores.

Das Orchester unter der Leitung von Antony Hermus wusste die großartige Akustik der Göteborger Oper zu nutzen. Mit viel Feingefühl ließ der niederländische Dirigent das Orchester die Stimmen nie übertönen. Die kontrollierte Lautstärke erlaubte das Heraushören feiner Nuancen in der Partitur, da sich selbst eine einzelne Flöte mühelos über den Rest der anderen Instrumente abhob. Nichtsdestotrotz musste man keine Dramatik vermissen, denn mehr als einmal schien das Orchester wie ein (wohl dosiertes) Gewitter auszubrechen. Besonders eindrucksvoll gelang dies zu Beginn des vierten Aktes. Einem Fortissimo in Blechbläsern und Pauken folgten die Streicher mit einem spannungsgeladenen Pianissimo. Macbeth, der nun endlich zur Besinnung kommt, verliert die Lust am Leben. Ein neuer König kommt, der Vorhang fällt.

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