Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Jutta Missbach

Aktuelle Aufführungen

Kratzbürstiges Käthchen

KISS ME, KATE
(Cole Porter)

Besuch am
17. April 2016
(Premiere am 13. Februar 2016)

 

 

Staatstheater Nürnberg

Lilli Vanessi schwingt im roten Kleid bedrohlich die Motorsäge. Eine Ken-Puppe muss zittern. Lilli holt mit diabolischem Lachen aus – und beraubt Ken seines besten, aber nicht unwesentlichen Stücks. Cole Porters Kiss me, Kate ist derzeit am Staatstheater Nürnberg zu sehen. Regisseur Thomas Enzinger liefert dem Publikum eine rasante, frech augenzwinkernde Version des Erfolgsmusicals aus dem Jahr 1949.

Allein an Shakespeare hatte sich Porter seinerzeit nicht getraut, der Stoff sei zu intellektuell und nichts für den Broadway. Umso cleverer die Idee, ein „Stück ins Stück“ zu packen. Kiss me, Kate handelt am Theater, die Premiere Der Widerspenstigen Zähmung steht kurz bevor. Regie führt Fred Graham – und schlüpft gleichzeitig selbst in die Rolle des Petruccio. Seine Ex-Frau Lilli Vanessi spielt die widerspenstige Katharina. Und so darf auf und hinter der Bühne gleichermaßen gezetert, gezankt und geflucht, gebissen, gekratzt und der Allerwerteste versohlt werden.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Enzinger beherrscht das Musicalhandwerk und liefert eine rasante, hochamüsante Bühnenshow ab. Herzschmerz lässt er weitgehend außen vor, auch wenn manche Porter-Melodie die Chance eröffnete. Stattdessen konzentriert er sich erfrischend auf den satirischen, parodierenden Kern des Musicals. So sitzt auf der Bühne während der Shakespeare-Inszenierung Felix Bratfisch als Harlekin am Schlagzeug und untermalt das Bühnengeschehen slapstickartig, lässt es knarzen und säuseln, quietschen und rumsen. Biancas Liebhaber erinnern an frühe, tollpatschige Stummfilmstars. Und die Wiener-Operetten-Walzer-Parodie Wunderbar untermalen die Sänger mit dramatisch-überzogenen Gesten. Für Bühnenbild und Kostüme zeichnet der Magdeburger Toto verantwortlich. Ein riesiges Shakespeare-Porträt blickt vom Vorhang herab wissend ins Publikum – und auch auf der Bühne selbst dominiert der verstorbene Dramatiker mit einer überlebensgroßen Statue die Szene, „wandert“ dabei über die Bühne, als wolle er das kuriose Geschehen um die Inszenierung seiner Widerspenstigen aus sämtlichen Blickwinkeln betrachten. Ein netter Gag: Der selbstverliebte Petruccio köpft Shakespeare kurzerhand und versieht ihn frei nach Ramses II. mit seinem eigenen Antlitz. Das Geschehen hinter der Bühne ereignet sich überwiegend in den zwei Ankleideräumen von Lilli und Fred. Totos Kostüme sind bunt, knapp, einige schrill, andere mit kleinen ironischen Details bedacht. Insgesamt erschafft der Magdeburger ein farbenfrohes, augenzwinkerndes Szenario, das wunderbar zu Enzingers Regie-Handschrift passt.

Foto © Jutta Missbach

Das Bühnengeschehen selbst prägt vor allem Milica Jovanovic als Lilli Vanessi und Katharina, die an diesem Abend statt Erstbesetzung Sophie Berner als Gast am Staatstheater Nürnberg zu erleben ist. Man merkt rasch, dass sie über Kiss me, Kate-Erfahrung verfügt, 2014 hatte sie die Hauptrolle bei den Bad Hersfelder Festspielen inne. Mit leicht angewinkelten Beinen, vorgebeugter Körperhaltung und gefletschten Zähnen lauert sie nun auf männliche Opfer, faucht und keift, kratzt und beißt. Gleichzeitig beherrscht sie die elegante Diva in Perfektion und säuselt „Pupsi-Darling“ ins Telefon. Gesanglich sorgt Jovanovic vor allem mit ihrem diabolisch angehauchten „Kampf dem Mann“ für Dramatik. Als einerseits dominanter Macho, andererseits recht frustrierter Liebhaber und Ex-Gatte steht ihr Christian Alexander Müller als Fred Graham und Petruccio zur Seite. Und so herrlich fies sich die beiden angiften, so harmonieren sie gesanglich.

Einen musikalischen Höhepunkt liefert ferner Antonia Welke als Lois Lane mit einem angejazzten, revuehaften Aber treu bin ich nur Dir ab. Den Ohrwurm des Abends darf schließlich ein dem Nürnberger Publikum wohlvertrautes Duo zum Besten geben: Schlag nach bei Shakespeare trällern die beiden Comedians Martin Rassau und Volker Heißmann. Die zwei haben ihre Fangemeinde im Fränkischen – verständlich also, dass Sie bei manchem Musical zwischen Fürth und Nürnberg in Nebenrollen schlüpfen. Als trotteliges Gangsterduo mit näselnden Stimmen allerdings sind sie diesmal keine echte Bereicherung. Viel zu platt und albern wirken die Gags im satirisch-feinen, sarkastisch-bösen Humorgeflecht des Musicals. 

Mit durch die Bank netten Leistungen – gesanglich wie tänzerisch – und jeder Menge Sexappeal kann das übrige Ensemble punkten. Die Choreografien von Kati Farkas sind mal rasant und komisch, mal poetisch oder akrobatisch. Und spätestens beim Es ist viel zu heiß dürfte auch manchem Zuschauer einen Tick wärmer werden.

Dirigent Volker Hiemeyer steuert die Musiker der Staatsphilharmonie Nürnberg zielsicher, variantenreich und mit luftig-leichter Beschwingtheit durch die hinreißenden Swing-Klänge und Evergreens aus Cole Porters Feder.

Am Ende des Abends brandet Milica Jovanovic der intensivste Applaus entgegen. Doch das Publikum würdigt ebenso die übrige, runde Ensembleleistung und bedankt sich damit für drei Stunden gute, kurzweilige, humorvolle Unterhaltung.

Michaela Schneider