Volksoper: Fürst Igor im Feindesland der Riesensonnenblumen

(c) Barbara Pálffy / Volksoper
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Alexander Borodins beinahe vergessene Oper "Fürst Igor" ist nach 56 Jahren nach Wien zurückgekehrt. Eine fulminante Darbietung mit tänzerischen und gestalterischen Highlights, die Kitschgegner an ihre Schmerzensgrenze stoßen lässt.

Was das „Nibelungenlied“ für den deutschen Sprachraum ist, das ist das „Igorlied“ für Russland. Das anonyme Epos erzählt die Geschichte eines missglückten Feldzugs des russischen Fürsten Igor. Während der Herrscher vom feindlichen Volk der Polowetzer in Kriegsgefangenschaft gehalten wird, wird die Lage in Russland für das führungslose Volk immer misslicher.

Nachdem der Kunstkritiker Wladimir Stassow im Jahr 1869 den Komponisten Alexander Borodin dazu angeregt hatte, den mittelalterlichen Stoff zu einer Oper auszubauen, sollte es noch über 20 Jahre dauern, bis „Fürst Igor“ im November 1890 in St. Petersburg uraufgeführt wurde. Borodin unterbrach seine Arbeit an der Oper häufig, arbeitete als Arzt und Professor für Chemie und komponierte in seiner Freizeit Symphonien.

Als er mit 53 Jahren überraschend starb, war das Werk immer noch unvollendet. Borodins Freund Nikolai Rimsky-Korsakow und dessen Schüler Alexander Glasunow vervollständigten die Partitur. Heute gilt „Fürst Igor“ als eine der wichtigsten russischen Nationalopern. Auf internationalen Bühnen wird das Werk aber kaum gespielt. Von zwei Gastspielen abgesehen führte man es in Österreich zuletzt im Jahr 1960 an der Wiener Staatsoper auf.

56 Jahre später holen Regisseur Thomas Schulte-Michels und Dirigent Alfred Eschwé „Fürst Igor“ aus der Vergessenheit zurück und bringen das beinahe unbekannte Werk an die Volksoper. Auch dem Orchester war die Musik zunächst nicht vertraut, nur die Polowetzer Tänze sind Musikliebhabern ein Begriff, was ihrem schwindelerregenden Erfolg bei der „Saison russe“ in Paris 1909 zu verdanken ist. Auch an der Volksoper bilden sie nun den fulminanten Höhepunkt der Aufführung. Dabei trifft der russische Musikstil auf den orientalischen, die militärische Macht der Feinde wird vor allem durch raffinierte Tänze demonstriert, die Choreografin Teresa Rotemberg durch akrobatische Einlagen und Break-Dance-Elemente gelungen aufgepeppt hat.

Die geknechtete russische Seele

Wann immer es in der Vergangenheit zu einer der seltenen Aufführungen von „Fürst Igor“ kam, unterschied sich die Abfolge der Akte. So gibt es eine Version der Oper, in der sich die Bilder aus Russland und der Fremde nicht abwechseln, sondern nach dem Prolog, in dem Igor in die Schlacht zieht, die missliche Lage in Russland unter der Herrschaft des furchtbaren Fürsten Galitzky zeigen. Regisseur Schulte-Michels entschied sich aber dafür, der originalen Aktfolge treu zu bleiben und Bilder aus der Heimat und der Gefangenschaft Igors aufeinanderfolgen zu lassen. Während Russland dabei düster und heruntergekommen dargestellt wird, besteht das Bühnenbild des Feindeslands aus riesenhaften Sonnenblumen, im Hintergrund sieht man ein Bild der im Meer versinkenden, feuerroten Sonne. Von den Kitschunverträglichen im Publikum gab es dafür Buhrufe.

Applaus und Bravorufe ernten hingegen Sebastian Holecek als Igor und Sorin Coliban, mit dem man sowohl durch sein beeindruckendes Stimm- als auch Körpervolumen eine Idealbesetzung für Kontschak, den Khan der Polowetzer, gefunden hat. Bassbariton Martin Winkler überzeugt als diabolischer Bösewicht Galitzky, und solid ist wie immer der Chor der Volksoper.

Donnernder Applaus auch für Melba Ramos als Igors Frau, Jaroslawna, die freilich in ihren anspruchsvollen Szenen erst gegen Ende ihre ganze vokale Kunstfertigkeit entfaltet.


Weitere Aufführungen in dieser Saison: 22. März, 1., 4., 7., 10., 13., 18., 20. und 24. April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2016)

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