Es kann kein Zweifel bestehen: Ludwig van Beethovens Oper Fidelio hat sich von der Befreiungsoper nach dem zeittypischen Geschmack der Zeit um 1800 zur Festoper par excellance gewandelt. Stets wenn es etwas zu feiern gibt, steht sie, wenn nicht gerade Richard Wagners Meistersinger von Nürnberg Konkurrenz machen, auf dem Programm. Ein ansehnlicher Erfolg für eine Oper, die als Schmerzenskind ihres Schöpfers in die Geschichte einging, was dokumentiert wird durch die verschiedenen Fassungen, die von diesem Werk exisitieren. Insgesamt vier Ouvertüren, eine Ur-Fassungen aus dem Jahr 1805, eine zweite Fassung aus dem Jahr 1806 und das, was man als Finalfassung aus dem Jahr 1814 bezeichnen könnte, die heute regelmäßig auf den Bühnen rund um die Welt gespielt wird, liegen aus der Hand Beethovens vor.

Doch zurück zum Thema Festoper. Dieser Tage feiert das Theater an der Wien sein 10-jähriges Jubiläum als drittes Opernhaus Wiens. Zur Feier dieses Anlasses bietet Intendant Roland Geyer einiges auf. Neben einer szenischen Aufführungserie der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill stehen auch zwei Festkonzerte auf dem Programm; sie sollen von zwei Dirigenten geleitet werden, die sich um das Haus verdient gemacht hatten. Die Betonung liegt auf sollten: Während René Jacobs sein am kommenden Freitag angekündigtes Festkonzert mit Wolfgang Amadé Mozarts Idomeneo dirigieren wird, musste sich Nikolaus Harnoncourt, der am 05. Dezember 2015 sein Karriereende bekannt gab, von seinem Konzertbeitrag mit dem Titel Fidelio / Leonore 1806 leider zurückziehen.

Der Künstler, der sich wie kein Zweiter um die historische Aufführungspraxis und um Raritäten vom Barock bis zur Moderne bemüht hat, ließ es sich an diesem Festkonzert-Abend nicht nehmen, dem Publikum seine Sicht der Dinge kundzutun. Extra für dieses Konzert hatte er nämlich seine Fassung der Leonore 1806 vorgelegt, die er in einer Video-Botschaft erläuterte. Leider geriet die, da er es sich nicht verkneifen konnte, gegen die akademische Musikwissenschaft und ihre Rekonstruktionsversuche zu poltern, etwas peinlich. Das Publikum durfte nun also die zweite Fassung, die Beethoven von seinem Fidelio erstellt hat, erleben. Eine Fassung, die deutliche Unterschiede zur finalen Fassung von 1814 aufweist. Nur um zwei kurze Beispiele zu nennen, sei auf die andersartige Arie der Leonore verwiesen (sie ist viel virtuoser und verlangt der Sängerin noch mehr ab) und die tieferliegende Fassung der Arie des Florestan zu Beginn des zweiten Aufzuges, die ohne Erscheinung des Engels auskommen muss.

Doch wie wurde diese Fassung nun umgesetzt? Als souverän war die Leistung des Concentus Musicus Wien unter der Leitung von Stefan Gottfried, ehemaliger Assistent von Nikolaus Harnoncourt, zu bezeichnen, wenn man einmal von einigen kleineren Patzern im Blech absieht. Das Orchester, das für seinen manchmal etwas herben Klang berühmt ist, sorgte für eine empfindsame Umsetzung der Partitur und erwies sich als passender Begleiter der Solisten und des Chores an diesem Abend. Gerade auch letzterem ist ein besonderes Lob auszusprechen. Der Arnold Schoenberg Chor unter der bewährten Leitung von Erwin Ortner ließ, man möchte schon fast sagen, wie gewohnt, aufhorchen. Ihr Höhepunkt des Abends war der Gefangenenchor des ersten Aufzuges, der auf feinsinnigste Art und Weise von den Herren dargeboten wurde: Hier erlebte man (Chor-)Gesang auf höchstem Niveau.

Leider konnten da nicht alle Solisten mithalten. „Leonore“ Juliane Banse gestaltete die Partie vollblutig und mit der notwendigen Dramatik, doch ihre Höhe und ihr Timbre standeneiner runden Ausführung im Weg. Dies zeigte sich vor allem in ihrer großen Arie, aber auch in der Enthüllungszene, in der ihre Stimme wohl nicht ganz mitmachen mochte. Ein anderes Bild zeichnete da Michael Schade; ihm kam zu gute, dass die Arie des Florestan in der gespielten Fassung tiefer liegt. Mit großer lyrischer Eleganz, zum Beginn noch eher rezitativisch, gestaltet er diese, um dann im Dank-Terzett und im Finale mit voller heldischer Größe zu Glänzen. Ebenfalls überzeugen konnten Andrew Foster-Williams als vielleicht etwas zu braver Don Pizarro und Georg Zeppenfeld als souveräner Rocco. Eine schöne Rollengestaltung brachte Anna Prohaska auf die Bühne, wobei aber anzumerken war, dass ihr Timbre nicht ganz zur einfach gestrickten Tochter des Rocco passt. Rainer Trost blieb in seiner Gestaltung des Jacquino dagegen etwas zurück, während Andrè Schuen als Don Fernando mit Schöngesang und Ausdruck mehr als zu überzeugen wusste.

Die Freude darüber, einmal wieder die Leonore aus 1806 zu hören, wurde durch die nicht gänzlich ausgewogenen Sängerbesetzung getrübt, dochman erlebte an diesen Abend dennoch eine geschmackvolle Aufführung.

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