Am Ende der rund zweieinhalbstündigen, zweiaktigen Neuinszenierung der Opera buffa gab es jedenfalls zu Recht begeisterten Applaus im vollen Festspielhaus. Kuhn, der erstmals nicht die Hauptoper dirigierte, sondern als Regisseur fungierte, ließ eine fetzig-schrille Schlagerpop-Show vom Stapel. Revue-Tänzerinnen und -Tänzer rekelten sich entlang der Bühne und fegten furios über dieselbe. Auch als "Nummerngirls", die den Namen der von Graf Almaviva begehrten Rosina in dessen Einzelteile "zerlegten", ließ der Maestro die "Bühnen-Akrobaten"auftreten.

Die augenzwinkernden Rempler Kuhns gegen die heutige Populär-Musikwelt fanden ihre Fortsetzung in Mikrofon-Attrappen, in die das fantastische Sänger-Ensemble der Accademia di Montegral regelmäßig "röhren" musste. Sogar der Gangsta-Rap kam kurz zu seiner Opern-Würdigung.

"Selbst die beste Schlager-Nummer ist noch viel schlechter als die schlechteste Nummer von Rossini", hatte Kuhn die für ihn unverrückbare Überlegenheit der Opernmusik im Vorfeld verbal zementiert. Diesen Diamanten zu schleifen und zum Glänzen zu bringen und ihn über das oberflächlich-bunte Treiben rundherum abzuheben - das war offenbar der Plan des Musik-Enthusiasten Kuhn. Er sorgte für eine Inszenierung, die sich selbst nicht allzu ernst nahm und bewusst auf mehr Schein als Sein ausgerichtet war.

Die Handlung sei beim "Barbier" eher Nebensache, man habe es überhaupt mit einem der "dümmsten Stücke" zu tun, die es gibt, meinte der Maestro. Eine Aussage, die Kuhn zu Beginn des zweiten Aktes sogar von der Bühne aus vortragen ließ. Es folgten Sätze wie "Das Menschlichste ist die Musik" und "Die Oper überlebt uns alle" - und die Welt des Gustav Kuhn war anschaulich erklärt.

Das Dirigat verantwortete indes der stellvertretende künstlerische Leiter der Festspiele, Andreas Leisner. Er tat dies ebenso famos wie das auf der Bühne und nicht im "Graben" aufspielende Orchester der Tiroler Festspiele, das in nahezu symbiotischer Art und Weise mit dem Sängerensemble brillierte. Die satte Komik des Opern-Klassikers wurde durch einen perfekten Klangkörper unterlegt. Instrumentensoli, Verzögerungen, Beschleunigungen - Musikkunst vom Feinsten. Energiegeladene, beschwingt-leichte, melodische Ohrwürmer - Opernherz, was willst du mehr.

Wohltuend reduziert das von Peter Schmidt und Alexander Paget verantwortete, nicht wechselnde Bühnenbild. In weiß gehaltene, mal quader- oder würfelförmige "Sitzgelegenheiten" neben einem gleichfarbigen, an ein Popkonzert angelehnten Bühnensteg. Eine angenehme Schlichtheit, die mitunter von der revuehaften Buntheit und vereinzelten Lichteffekten und "Blitzlichtern" aufgepeppt und in eine beinahe "Discokugelhaftigkeit" verwandelt wurde.

Und last but not least das Ensemble: Das hohe Niveau war ihnen allen gemein. Aurora Faggioli gab eine ebenso darstellerisch wie gesanglich einprägsame Rosina, Sergio Vitale einen besonders bühnenpräsenten Figaro. Auch Oliviero Giorgiutti überzeugte als alter, geiziger, Rosina bewachender Doktor Bartolo in diesem Stück voller Begehren, Verteidigung, Verwechslung und Glück.