„Im weißen Rössl“: Es wird geklotzt am Wolfgangsee

„Im weißen Rössl“
„Im weißen Rössl“(c) Barbara Pálffy/ Volksoper
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Jubelstürme für Ralph Benatzkys „Im weißen Rössl“ in Josef E. Köpplingers liebevoll-ironischer Regie – auch wenn manche musikalischen Wünsche offenbleiben.

Es ist einmal im Leben so, dass Erinnerung verklärt. Mit Urlaubsfotos versuchen wir, das Schöne festzuhalten – und den allfälligen Rest zu überdecken. In der Wiener Volksoper freilich hängt im Hintergrund der Ausstattung von Rainer Sinell das Ansichtskarten-Idyll eines Bergpanoramas des Salzkammerguts vielsagend schief.

Auch der Apfel fällt nicht weit vom Pferd an diesem Wolfgangsee, dessen Wellen als überdimensionale Laubsägearbeit hin und her geschoben werden: Das Wirtshausschild vom „Weißen Rössl“ zeigt einen aufgebäumten Schimmel, unter dessen Schweif ein ganzer Schwall von Rossknödeln herunterpurzelt. Verklärte Nostalgie hat hier keinen Platz, aber trotz ironischer Brechungen wird es eine wunderbar liebevolle Inszenierung von Ralph Benatzkys unsterblichem, weil immer wieder neu geborenem Bühnenerfolg: Die Volksoper hat mit dieser schon in München und Graz in sehr ähnlicher Besetzung gezeigten Produktion einen guten Einkauf getan.

Josef E. Köpplinger ist ein großer Kontrapunktiker. Der Regisseur unterläuft das mit bewusst einfach anmutenden Mitteln erbaute, gleichsam potemkinsche Bühnenbild mit jener opulenten Revuehaftigkeit aus Statisterieaufgebot und Balletteinlagen, die historisch von Anfang an zum „Rössl“ gehört hat. Nicht kleckern, sondern klotzen, würde der Berliner Griesgram Wilhelm Giesecke dieses Unterfangen in Worte fassen, jener Giesecke, der lieber nach Ahlbeck gefahren wäre und dort seine „jrünen Aale“ verspeist hätte. Urassen lautete das szenische Gebot, übersetzt in die Sprache der „Rössl“-Wirtin Josepha Vogelhuber und ihres notorisch in sie verliebten Zahlkellners Leopold: Eines der Hauptthemen des Werks ist die klischeehafte Undurchlässigkeit des Weißwurst-Äquators, denn nichts trennt die Österreicher von den „Preußen“ so sehr wie die gemeinsame Sprache.

Eine resche und nachdenkliche Wirtin

Köpplinger erfreut sich an diesem Aufeinanderprallen der Kulturen, das Publikum amüsiert sich wie eh und je darüber, genau so wie über das groteske Englisch der Reiseleiterin – eine von vier kleinen, markanten Rollen, in die Helga Papouschek schlüpft. Sie gehören zu jener Fülle von szenischen Neben- und Gegenstimmen, die Köpplinger ins Geschehen einflicht: etwa einen Oberförster auf mörderischer Pirsch, ein in die Wehen kommendes Mitglied des Jungfrauenvereins, die grunzenden Bediensteten Lois und Hias...so viele, dass sie für Momente die Haupthandlung fast zu überdecken drohen. Da ließe sich leicht etwas nachbessern, denn bei Timing und emotionaler Kraft der zentralen Liebesverwicklung hat Köpplinger keine Tricks nötig: Sigrid Hauser als wahrlich resche, dann aber sich nachdenklich wandelnde Wirtin passt und spielt gut mit Daniel Prohaska zusammen, der etwa das „Zuschau'n kann i net“ gleichsam als ein in Sentiment gehülltes Nestroy-Couplet vorträgt.

Wenn man alles haben könnt', würde dieses „Rössl“ trotzdem ein bisschen anders klingen. Es ist zwar wunderbar, dass die Produktion auf dem 2009 in Zagreb wieder aufgetauchten Stimmenmaterial der Berliner Uraufführung von 1930 basiert: Da treiben es Zithertrio und Jazzcombo, Schimmy und Walzer oft grellbunt und bissig miteinander, beliebte Einlagen inklusive. Aber manchmal fehlt beim Volksopernorchester unter Michael Brandstätter noch etwas Geschmeidigkeit – und beim Ensemble, das mit Mikroports verstärkt singt, ein selbstverständlicher, irgendwie gemeinsamer Ton. Zugegeben, auch bei der Uraufführung war der Dr. Siedler als einzige Rolle mit einem Opernsänger besetzt – aber der gestandene Tenor Carsten Süss wirkt einfach zu bieder, wenn er Ottilie (Mara Mastalir) für sich gewinnt. Selbst bei Prohaska und Hauser ist mehrfach zu vernehmen, wie schwierig dieses von Benatzky als „Singspiel“ bezeichnete Werk zu singen ist.

Merkwürdig oder bezeichnend, dass gerade die unprätentiösen Schauspieler am überzeugendsten klingen: Markus Meyer scharwenzelt und springinkerlt als schöner Sigismund so quicklebendig über die Bühne, rund um Juliette Khalils kleines Klärchen herum, dass man ihm eine größere Partie wünschte; Bernd Birkhahn als (nicht ideal berlinernder) Giesecke hält fast so gut mit wie Hans Dieter Knebel als Prof. Hinzelmann. Und ein Kaiser vom Range eines Wolfgang Hübsch ist in Stimme und Geste ganz sympathische Grandezza: Lächle und füge dich, weiß er. Das Publikum aber lacht und jubelt über diesen „allerschönsten Traum“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2015)

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