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Deda Cristina Colonna inszeniert für Innsbrucker Festwochen "Armide"

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Innsbruck - Eine schöne fremde Welt erklingt aktuell bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Deda Cristina Colonna hat sich dazu die „Armide“ von Jean-Baptiste Lully vorgenommen.

Jahrzehnte an Hör-Lehrarbeit haben gefruchtet. Wie die Vorromantik geklungen hat, das ist bis zum letzten Gelegenheitskonsumenten vorgedrungen – zumal sich ja auch die Orchester technisch die alten Instrumente erobert haben. Was früher also kratzig oder nach Ofenrohr tönte, ist jetzt eine Offenbarung an Farbigkeit und Nuancenreichtum. Aber wie die Opern damals wohl aussahen? Auch hier gibt es, seit gar nicht so langer Zeit übrigens, eine Bewegung zurück zum Original. Protagonistin ist die Regisseurin Sigrid T’Hooft, die barockes Musiktheater mit all seiner Gestik rekonstruiert. Jeder erhobener Arm, jedes zierlich gedrehte Händchen eine Bedeutung, ein in die Luft gemalter Satz.

Ein wenig hineinschnuppern in diese schöne fremde Welt kann man derzeit bei den Innsbrucker Festwochen für Alte Musik. Deda Cristina Colonna, italienische Regisseurin und Choreografin, hat sich dazu die „Armide“ von Jean-Baptiste Lully vorgenommen. Das passt wunderbar, gehen doch im französischen Barock Gesang, Instrumentales und Tanz eine sich befruchtende, sich durchdringende Verbindung ein und werden nicht, wie bei den Italienern, streng nach Genres geschieden. Lullys 1686 in Paris uraufgeführtes Werk, das ist der Wermutstropfen, wurde dabei einer schmerzhaften Schrumpfkur unterzogen: Was in der Standard-Einspielung von William Christie über drei Stunden dauert, ist nun auf zweimal 50 Minuten plus Pause zusammengeschnurrt – vielleicht auch, weil der Innsbrucker Aufführungsort nur bedingt für Überlänge taugt.

Im malerischen Arkadeninnenhof der Theologischen Fakultät lässt sich allerdings einiges erahnen von der Bühnenkunst zur Zeit Ludwig XIV. Francesco Vitali hat dazu Prachtkostüme aus dem Barocklehrbuch entworfen. Die Begegnung der Zauberin Armide mit ihrem geliebten Feind Renaud ist weniger psychologisch unterfütterte Liebesannäherung, als ausgestellte, „repräsentative“ Erotik, vielsagend umtanzt von den Nordic Baroque Dancers. Die sechs Solisten, meist als Geister der Zauberin unterwegs, sind der eigentliche Clou, ein Motor der Aufführung, in ihren stummen, faszinierenden Kommentaren auch Bindeglieder zum Publikum.

Ein porentief reines Nachbuchstabieren der barocken Gestik, das war Regisseurin Colonna offenbar doch zu viel. Immer wieder mischen sich Gegenwartsfloskeln hinein, in den schwächsten Momenten driftet der Abend ins Stereotype. Anfangs sitzen die beiden Vertrauten der Zauberin hoch oben im zweiten Stock im Fenster, die beleuchteten Innenräume sorgen für schöne Farbwirkungen, doch eigentlich wird der Freiluftschauplatz kaum einbezogen, erst wieder am Ende, wenn die Macht der Zauberin gebrochen ist und die Fassade per Diaprojektion einzustürzen scheint. Barock gekleidete Schaufensterpuppen sind die einzige Dekoration und stumme Zeugen. Was anfangs ein hübscher Einfall ist, fällt bald auf die Produktion zurück: Man ahnt, wie wenig Geld derzeit dem Festival zur Verfügung steht.

Behutsames, klangschönes Musizieren

Musikalisch bietet diese „Armide“ einen Gegenentwurf zu den Aufführungen, die mit reichem Instrumentarium, vor allem üppigem Continuo die Szenerie widerspiegeln. Der dirigierende Konzertmeister Patrick Cohën-Akenine an der Spitze der solistisch besetzten Les Folies françoises dimmt die Partitur auf Intimes herunter: ein behutsames, klangschönes Musizieren, das Lullys Opus von innen heraus zum Leuchten bringt. Anders als sonst bei den Innsbrucker Freiluftproduktionen griff man nicht auf die Vorjahressieger des dortigen Cesti-Wettbewerbs zurück – Lullys Partien wären dafür zu knifflig. Ein auf allen Positionen rollenfüllendes Ensemble ist dabei zusammengekommen. João Pedro Cabral nähert sich der hohen Tenorpartie des Renaud mit immer mutigerem, festerem Zugriff. Elodie Hache ist als Armide ganz entschlossene Tragödin, ohne die Geschmeidigkeit ihres Soprans zu riskieren. Unter den Übrigen lässt vor allem Pietro di Bianco als Armide-Onkel Hidraot mit wie gemeißeltem Bassbariton aufhorchen. Wenigstens verpufft die lohnende Anstrengung nicht sofort: Anders als der „Germanico“ im Landestheater wurde „Armide“ koproduziert, demnächst wandert das barocke Zauberreich weiter nach Sanssouci und nach Versailles.

Weitere Aufführungen: 24. August und 26. August.

Telefon 0043/ 1/ 88088.

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