Kurzkritik:Schönes Böses

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"Der goldene Drache" von Peter Eötvös in Bregenz

Von Egbert Tholl, Bregenz

Ein Jahr ist diese Produktion alt, und man kann sie gar nicht oft genug zeigen, immer wieder und wieder. Im vergangenen Jahr kam "Der goldene Drache" an der Oper Frankfurt heraus; ihr liegt das gleichnamige Stück von Roland Schimmelpfennig zugrunde, das 2010 in der Umfrage von Theater heute zum Stück des Jahres gekürt wurde. Peter Eötvös hat es verdichtet und eine Musik dazu geschrieben, die gar nicht Oper sein will, eher eine musiktheatrale Aktion, eine böse Groteske, ein Pamphlet. "Der goldene Drache" ist ein China-Thai-Vietnam-Asiaimbiss, ein Ort der Gestrandeten, der Heimatlosen. Manche, wie zwei Stewardessen - verkörpert von den unternehmungslustigen Sängern Hans-Jürgen Lazar und Holger Falk - halten hier inne in einem rastlosen, aber gut abgesicherten Leben, andere werkeln hier ums Überleben. Wie die Grille, entlehnt der Fabel von Äsop, hier ein Geschwisterpaar, illegale Einwanderer, den Ameisen ausgeliefert, für die sie tanzen und von denen sie sich erniedrigen lassen. Der einen Grille wird ein Zahn ausgerissen, die andere wird zur Hure, verkauft sich für ein bisschen Essen, beide überleben nicht.

Lustig beginnt die Aufführung auf der Werkstattbühne der Bregenzer Festspiele, wie eine virtuose Kochshow, in der die Küchenutensilien zu Rhythmusgeräten werden und ein Hackmesser den Drive vorgibt. Hinter dem Verhau auf der Bühne, aus dem die paar wenigen, notwendigen Requisiten hervorgekramt werden, glimmt eine Drachenskulptur, die am Ende in sich zusammensinken wird, Dämmerbild einer Schlussapotheose, in der die Geschundenen und Zertretenen in ein fernes Land des Lächelns entschwinden.

Eötvös schreibt hier echte Theatermusik, die vollkommen unmittelbar wirkt, schön ist und grimmig, Zirkus und Sozialreportage. Das Frankfurter Ensemble Modern geht mit ungeheurer Spielfreude ans Werk, und auch die Regisseurin Elisabeth Stöppler hat viel Sinn für die Komik, die sich aus Schimmelpfennigs Wortvolten ebenso ableitet wie aus der lustvollen Ironie der Musik. Der Ernst schleicht sich langsam in die Wahrnehmung, dann aber setzt er sich dort fest. Fünf Sänger verkörpern in 21 Miniszenen eine Vielzahl von Figuren, alles ist so klar wie schnell skizziert, weil die Sänger stets ankündigen, wen und was sie nun spielen werden. Durch die Bilder der scharfen Realsatire windet sich die hier noch bösere Fabel, eine Stewardess, die während des Flugs aus der Sicherheit von zehn Kilometern Höhe noch ein Flüchtlingsboot erspähte, findet nun einen Zahn in der Suppe, und man erlebt Musiktheater als scharfen Kommentar zur Realität, passgenau, nicht endend gültig, ja immer noch aktueller.

© SZ vom 21.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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