Der kitschige Rahmen für ein Spektakulum à la Robert Dornhelm: Ein riesiger Engel (Bühne: Amra Bergmann) bildet die Kulisse für Puccinis "Tosca" im Römersteinbruch St. Margarethen.

Foto: Amra Bergmann

St. Margarethen – "Sie springt von ganz oben!" Für einen Besucher der Premiere im Steinbruch St. Margarethen war es die aufregendste Information, wie das Ende von Puccinis Tosca mit dem spektakulären Selbstmord der Titelfigur aussehen würde. Diese Stimme ist insofern repräsentativ, als die Open-Air-Oper im Burgenland augenscheinlich und ganz offensichtlich vor allem eines ist: ein Spektakulum, also etwas zum Sehen, bei dem die Schaulust an erster Stelle steht. Das Feuerwerk – diesmal am Ende des ersten Akts – ist einer der vielen Beweise dafür. Dass die Platzanweiser nicht nur gegenüber später kommenden Zuschauern mit voller Stimme sprechen, sondern sich auch laut miteinander unterhalten, als die Aufführung schon begonnen hat, bildet vielleicht nur ein Detail – aber ein aussagekräftiges.

Der Kulturteil ist nicht die Wetterseite. Wie sich jedoch die Veranstalter und die heerscharenweise angerückten Besucher nicht vom Pech irritieren ließen, dass der Premierenabend auf den Unwettertag nach einer längeren Hitzeperiode fiel, war schon beachtlich. Bei strömendem Regen warteten doch die meisten auf den um eine gute Stunde verspäteten Beginn kurz nach 22 Uhr – einen Beginn, der in der angedeuteten Unruhe so ziemlich unterging.

Die Tonanlage setzte die Entoperung des Stücks munter fort: Das Orchester des Nationaltheaters Prag klang blechern wie auf einem alten Grammophon, spielte dabei aber wahrscheinlich die meisten Töne gut und richtig, während Michael Güttler als Dirigent oder eher Koordinator eine ruhige Hand bewies. Auch die Stimmen der Sänger wurden so stark verfälscht, dass deren Beurteilung anhand des Gehörten widersinnig wäre.

Probleme für alle Sinne

Deshalb also zurück zum Sichtbaren – und gleich zu neuen Problemen. Die Herausforderung jeder Freilichtaufführung ist der Umgang mit den riesigen Dimensionen der Bühne und deren Proportion zu den vergleichsweise winzigen Darstellern. Die Ausstattung von Amra Bergmann thematisiert dies geradezu, indem sie den Rock einer riesigen Engelsfigur zum Dach des Geschehens macht, mit dem das ausladende Kleid von Tosca (Martina Serafin) korrespondiert. Die Projektionen von Bildern der Originalschauplätze auf den Engelsunterrock sind schön anzuschauen, in Kombination mit der Bühnenkonstruktion aber nichts weiter als kitschig.

Regisseur Robert Dornhelm hat die Bewegungen der Figuren über die Bühne hübsch arrangiert, jedoch jedwede Personenführung dadurch konterkariert, dass auch Cavaradossi (Andrea Caré), Scarpia (Davide Damiani) und Angelotti (Clemens Unterreiner) unentwegt in Großaufnahme über die Leinwände flimmern – am sinnentfremdetsten dann, wenn dies doppelt und auch noch gespiegelt geschieht. Abgesehen davon, dass die singenden stehenden Figuren durch die Vergrößerung erst recht statisch und monoton wirkten, ging dadurch auch der Rest musikalischen Potenzials verloren.

Puccini vermittelt so eindringlich zwischen der Illustration der Handlung und der Schilderung der seelischen Reaktionen darauf, dass keine Inszenierung daran vorbeigehen dürfte. Dafür war leider kein Gespür vorhanden. Wenn Cavaradossi im zweiten Akt gefoltert wird, geschieht das unsichtbar für Tosca und die Zuschauer – was gerade die Dramatik der Situation ausmacht. Hier das angeblich schmerzverzerrte Gesicht eines Tenors zu projizieren, wäre schon genug der szenischen Bankrotterklärung gewesen (und nicht gerade ein Zeugnis des Zutrauens in die Imaginationskraft des Publikums). Es kam aber noch besser, als am Ende eine Tosca-Figur, nachdem die Sängerin eben noch auf der Bühne stand, blitzschnell auf dem hohen Felsen sichtbar wurde und anstelle eines Sprungs ein Tuch in die Tiefe warf.

Ob wohl der eingangs zitierte Besucher enttäuscht war? (Daniel Ender, 10.7.2015)