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Salzburger Osterfestspiele
Ein italienisches Operndoppel und Konzertperlen

Von Jörn Florian Fuchs | 05.04.2015
    In strenger Schwarz-weiß-Optik geht die Sache los. Die von Regisseur Philipp Stölzl mitentwickelte Bühne unterteilt sich in sechs Kammern, die mal konkrete Handlungsorte von Pietro Mascagnis Oper "Cavalleria rusticana" zeigen, mal per Video heran gezoomte Großeinstellungen der Protagonisten. Diese Mischung erzeugt einen Sog und man ist ständig neugierig, welches Fensterchen, was als Nächstes wohl zeigen wird – und doch bleibt das Ganze letztlich ein bisschen zu dekorativ.
    Andererseits ist die "Cavalleria" ja ein Kernstück des sogenannten Verismo, es geht also um echte Gefühle und eine nicht zu komplizierte Handlung, verpackt in kräftige, vorwärts drängende Musik. Dazu passt – gerade als Kontrast – Stölzls eher ruhige Erzählweise wiederum doch recht gut. Jonas Kaufmann gibt sein Rollendebüt als Turiddu, welcher seine Verlobte Lola einst zwecks Ableistung des Militärdienstes verlassen musste. Während seiner Abwesenheit hat sie sich neu orientiert, nach Turiddus Rückkehr indes flammen alte Gefühle auf, am Ende stirbt Turiddu im Duell. Voll überzeugen konnte Kaufmann in dieser Partie erst zum Schluss. Christian Thielemann legte am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden den Fokus auf Klangschönheit, gediegene Tempi und präzise Akzentuierungen, man hätte sich etwas mehr Wagemut und Überraschungsmomente gewünscht.
    Für Ruggero Leoncavallos ebenfalls veristische Kurzoper "Pagliacci" schaltet Thielemann erfreulicherweise vom Autopiloten auf manuelles Getriebe, energisch ruppig geht es zu, die Dresdner dürfen und können alle Facetten ihres Könnens und die der Partitur ausspielen. Jonas Kaufmann debütiert als Canio und hier stimmt nun wirklich alles. Die Partie schwankt zwischen Schmerz, Rachegelüsten, rasender Liebe und blinder Wut. Jede Emotion findet bei Kaufmann ihren passenden vokalen und gestischen Ausdruck. Canio ist Leiter einer Schauspieltruppe, wird von seiner Frau betrogen und tötet sie nebst ihrem Liebhaber während einer Theateraufführung, die ebenfalls eine Untreuegeschichte zum Thema hat. Aus dem Spiel im Spiel wird brutaler Ernst. Philipp Stölzl zeigt das Geschehen jetzt in farbigen Bildern, mehrfach vermischt und verwischt er fotorealistische Szenerien mit realen Szenen auf der Bühne. Das ist nicht nur technisch-handwerklich, sondern auch was die Führung von Solisten sowie riesigem Chor- und Statistenensemble betrifft, brillant.
    Neben der großen Oper gibt es bei den Osterfestspielen auch mehrere Konzerte, heuer lag der Schwerpunkt auf Werken von Peter Tschaikowski und Dmitri Schostakowitsch. Am Karfreitag ertönt traditionellerweise immer geistliche Musik, diesmal Giuseppe Verdis "Messa da Requiem".
    Christian Thielemann behält den großen Bogen im Blick und inszeniert das Stück mit der Sächsischen Staatskapelle fast opernhaft, mit einer gut strukturierten Szenenfolge, reich an prachtvollen Details. Vor allem Jonas Kaufmann in der Tenorpartie, Anita Rachvelishvilis Mezzo sowie der Chor des Bayerischen Rundfunks sorgten für ein sinnlich besinnliches Erlebnis.
    2016 plant Thielemann den Ausbau seiner Kompetenz im italienischen Fach, gespielt wird Verdis "Otello" mit Johan Botha in der Titelpartie. Wohl vor allem dank des neuen Intendanten Peter Ruzicka kommt dann die Moderne nach Salzburg. Manfred Trojahn schreibt ein Auftragswerk, Vladimir Jurowski dirigiert Hans Werner Henzes komplexe achte Symphonie.
    Durchaus beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Osterfestspiele die weltweit teuersten Eintrittspreise haben und das Publikum überwiegend das einschlägige Repertoire schätzt. Schon die Aufführung von Claude Debussys "Pelléas et Mélisande" vor ein paar Jahren brachte das Festival in eine finanzielle Schieflage.