Theater an der Wien: Aufgewärmte Opern-Novität

THEATER AN DER WIEN: ´GESCHICHTEN AUS DEM WIENERWALD´
THEATER AN DER WIEN: ´GESCHICHTEN AUS DEM WIENERWALD´(c) APA/WERNER KMETITSCH (WERNER KMETITSCH)
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Übernahme von HK Grubers „Geschichten aus dem Wiener Wald“ aus Bregenz: Ein solider Transfer, die Chance auf Nachschärfung wurde jedoch verpasst.

Bregenz hat den Bregenzer Wald hinter und den Bodensee vor sich. Das Theater an der Wien hat nun den „Wiener Wald“, dessen Geschichten im letzten Juli erstmals im Festspielhaus am Ufer des Bodensees erzählt wurden, aus Vorarlberg heimgeholt. Heinz Karl Grubers Opernnovität, die von Bregenz und Wien koproduziert wurde, erlebte so nach über einem halben Jahr Pause seine erst vierte Aufführung im Theater an der Wien. Von der breiten Cinemascope-Bühne wurde die Sommerproduktion ins weit kleinere Wiener Theater eingepasst. Dafür durfte erneut der Regisseur der Uraufführung, Michael Sturminger, ans Werk. Sturminger hat Ödön von Horváths Volksstück HK Gruber zur Vertonung vorgeschlagen und gleich das fertige Libretto in petto gehabt, Horváth gerafft, damit sich ein Opernabend in erträglicher Länge ausgeht.

Dem Spiel steht ein Epilog vor, in dem Marianne auf leerer, nebelgefüllter Bühne ihr Lied aus der Wachau anstimmt: ihr Leitthema. Wenn sie ihr uneheliches Kind bei der Schwiegermutter in der Wachau abgeben muss, damit sie in Wien als Nackttänzerin eben diese Strophen zum Besten geben kann, um sich und ihren Liebhaber, den Filou Alfred, durchzufüttern. Man kennt das bitterböse Volksstück Horváths, in dem das naive und gottgläubige Vorstadtmädel vom Schicksal zermalmt wird, nur weil sie es ein einziges Mal wagt, auf ihr Herz zu hören: Sie lässt, und damit beginnt die erste Szene der Oper, ihre arrangierte Verlobung mit dem feisten Fleischhauer Oskar platzen, weil sie sich in den windigen Alfred verschaut hat.

Horváths Text, musikalisch verharmlost

Was im großen Haus im Sommer, trotz Defiziten, eine letztlich weitgehend stimmige Sache ergeben hat, zeigt sich im kleinen Haus etwas problematischer. Das beginnt bei den Anfangsakkorden, die einem unerbittlich um die Ohren knallen. Das groß besetzte Orchester, erneut die unter Gruber prächtig musizierenden Wiener Symphoniker, ist aus dem Orchestergraben bis in die beiden Proszeniumslogen geklettert. Aus diesem erweiterten Graben quillt und wuselt es rund um die Gesangslinien, die Gruber sich für Horváths Texte ausgedacht hat. Gruber greift beherzt in die Zitatenkiste und lässt die Musikgeschichte sprudeln, dass es eine Freude ist. Natürlich beherrscht er das gekonnt und schafft daraus auch sein sehr eigenes Werk. Aber was auf die Distanz im großen Sommerhaus noch ein wenig Puffer gehabt hat, trifft nun viel unmittelbarer auf den Hörer. Horváths hart und scharf geschnitzte Sätze sind in ein so üppig überbordendes, oft freundlich tonales Notengedränge gepackt, dass sie viel an Schärfe einbüßen und verharmlosen. Nur Marianne hat dann hochexpressive Linien zu singen und auch im Verein mit Oskar große opernhafte Momente. Vor allem, wenn er sie, die am Ende mit den Worten „Jetzt kann ich nicht mehr“ zusammenbricht, als stolze Trophäe, wie eine frisch gestochene Sau, von der Bühne trägt. Das bürstet Gruber dann ganz gegen den Text zur großen dramatischen Finalszene auf. Es sind Probleme, die schon im Sommer evident waren und durch die Nähe im kleineren Haus noch stärker in den Fokus rücken.

Hier hätte auch Michael Sturminger durchaus korrigieren können, seine für die große Bühne konzipierte Inszenierung kammerspielartiger verdichten müssen. Das gelang ihm keineswegs. Im Gegenteil, die Schablonenhaftigkeit der Figuren wirkt umso stärker, je näher diese an die Zuschauer rücken. Dann mühen sich auch die tüchtigen Sänger der Uraufführung mit nur bedingtem Glück, ihre vertrackten Gesangslinien mit ihren Charakteren in Deckung zu bringen. Ilse Eerens gelingt das als zarter, zerbrechlicher Marianne wohl am intensivsten, auch Michael Laurenz schafft es als Jung-Nazi Erich, eine weitgehend runde Figur zu zeigen.

Kirchschlager als notgeile Trafikantin

Angelika Kirchschlager wackelt als notgeile Trafikantin Valerie behände mit dem Hintern, Jörg Schneider ist ein allzu sympathischer Oskar, Albert Pesendorfer müht sich, dem Zauberkönig eine gewisse Brutalität zu verleihen. Die Gefährlichkeit der Großmutter weiß Anja Silja zumindest mit stimmlicher Schärfe zu vermitteln, während der unauffällige Alfred von Daniel Schmutzhard seit der Uraufführung kaum Profil gewonnen hat. Die mit Projektionen von heute spielende Ausstattung von Renate Martin und Andreas Donhauser kann in kleinem Rahmen wenig gewinnen. Natürlich ist es dem Theater an der Wien hoch anzurechnen, dass die Novität erneut zu erleben ist. Aber man hätte die Chance besser nutzen und mehr als eine grundsolide Aufwärmübung wagen können.

Termine: 16., 18., 21. und 23.März. www.theater-wien.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2015)

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