Wirtin Josepha Voglhuber hat’s nicht leicht: Das Personal ist bockig, die Touristen, die in den Gasthof am Wolfgangsee strömen, sind geizig, und dann gibt es da auch noch allerhand Verwicklungen mit zwei Trikotagen-Herstellern aus Berlin, die um ein Patent kämpfen. Die Liebe spielt natürlich auch eine große Rolle in dem Singspiel „Im Weißen Rössl“, das Regisseur Sebastian Kreyer am Theater Bremen angeblich von allem Kitsch befreien wollte. Herausgekommen ist eine Inszenierung, die geschmacklos und langatmig geraten ist.
Das Singspiel „Im Weißen Rössl“ hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Gestartet ist es als beschwingte, jazzigen Revueoperette, die in den 1930er-Jahren das Großstadtpublikum in Berlin, Paris, London und New York erfreute. Darauf folgten
heimattümelnde Verfilmungen in der Nachkriegszeit und schließlich die Wiederauferstehung als musikalisch vielschichtige Operette in den vergangenen zehn Jahren. Vor allem die Musik ist es, die das „Rössl“ heute noch attraktiv macht. Die Geschichte ist so trivial wie altmodisch, hat sowieso immer schon ironische Züge gehabt und bildet nur den Rahmen für die schmissigen Nummern von Ralph Benatzky, Robert Stolz und anderen.
Der beste Einfall der Bremer Inszenierung ist denn auch einer aus dem Orchestergraben und dem musikalischen Leiter Daniel Mayr zu verdanken. Noch bevor der Vorhang sich hebt, lässt er die Bremer Philharmoniker ein Medley aus „Somewhere over the rainbow“, Hits von Gloria Gaynor, den Village People und Marianne Rosenberg spielen. Applaus – das Publikum ist eingefangen und gleichzeitig eingestimmt auf die Inszenierung. Ein echter Coup. Vor allem Rosenbergs Mega-Schlager „Er gehört zu mir“ weist den Weg: Kein Christopher Street Day ohne diese Hymne der Schwulenbewegung. Leider bleibt dies der einzige überzeugende Moment des Abends, der sich zudem unnötigerweise über weit mehr als drei Stunden dehnt.
Regisseur Sebastian Kreyer hat im „Weißen Rössl“ einfach mal alles umgemodelt: Die Männer sind schwul, aus Töchtern werden Söhne, Frauen spielen Männer, Désirée Nick als Wirtin Josepha Voglhuber ist Désirée Nick – ein Paradiesvogel zwischen bi, tri, quatro und sonstigen (Trans-)Genderzuweisungen. Und selbstredend wird Kaiser Franz-Josef zur Sissi, natürlich dargestellt von einem Mann (Matthieu Svetchine), der wie eine aufgepumpte Zwillingsschwester von Conchita Wurst daherkommt. Das kann man so anlegen: Warum sollten vor der Fototapeten-Kulisse des Wolfgangsees nicht Coming-Outs aller Art fröhliche Urständ feiern? Hauptsache, das Ganze bewahrt diese gewisse glamouröse Frivolität, mit der Eric Charell und Ralph Benatzky das ursprünglich Alt-Berliner Lustspiel aufgeladen hatten: Ob dann Männer Männer knutschen oder Frauen oder wen auch immer – geschenkt.
Doch für Feinheiten ist Kreyer der falsche Mann. Er will nicht andeuten, er lässt seine Darsteller Tacheles reden, in Unterhosen Lambada tanzen und macht aus dem „Weißen Rössl“ einen zotigen Zossen, der nach allen Seiten auskeilt. Ständig muss das Personal von hinten übereinander herfallen, sich in Hosenställe greifen oder aneinander reiben. Um auch dem Begriffsstutzigsten klarzumachen, wie total frech und originell das alles ist, gibt es mäßig komische Anspielungen auf aktuelle Ereignisse und Personen, gerne kommentieren die Darsteller auch ihre Rollen. Das gelingt ein einziges einmal Mal, wenn der Österreicher Peter Fasching sich über die nervtötende Imitation seines Heimat-Dialekts durch Désirée Nick aufregt.
Ansonsten killt diese Marotte verlässlich das Tempo, das just zuvor durch eine flotte Gesangsnummer um den schönen Sigimund oder das lustige Salzkammergut aufgebaut wurde. Bei einem derart klar ausgewiesenen Unterhaltungsstück ist so etwas unverzeihlich – nach der Pause rutscht die Inszenierung dann endgültig auf das Niveau einer Karnevals-Prunksitzung ab. Da sind einige Zuschauer bereits geflüchtet.
Wer bleibt, tut das wegen des Schauspielensembles, des Opernchors und der Philharmoniker. Vor allem Gabriele Möller-Lukasz als Wilhelm Giesecke, Siegfried W. Maschek als Sigismund Sülzheimer und Johannes Kühn als verliebter Oberkellner Leopold retten durch ihren Esprit einige Szenen, Kühn und Maschek können zudem singen. Denn auch hier hat Kreyer auf seine plump-parodistische Art dazwischen geschlagen: Es wird gequietscht, geröchelt, gequasselt in den Songs; man ist froh, wenn der wunderbare Chor die Bühne betritt und für musikalische Harmonie sorgt. Auch den Philharmonikern gelingt es, die abwechslungsreiche Mischung aus Wiener Liedern, Jazz und Revuemusik mal mit Schmelz, mal mit Schwung zu zelebrieren. Applaus gibt’s zum Schluss für das Ensemble und die Musiker, viele Buhrufe dagegen für das Regie-Team.
Die nächsten Termine: 28. Februar, 5. März, 7. März, jeweils 19.30 Uhr