So ist "La Straniera" mit Blick auf die krude Narration ein Stück, das man schlicht nicht ernst nehmen kann - was Loy allerdings bar jeder Ironie tut. Dabei dürfte das Libretto einer der Gründe sein, weshalb die 1829 uraufgeführte Oper sich bis heute nur selten am Spielplan findet. Alaide wird vom Bruder Valdeburgo beschützt, nachdem sie ihr Liebhaber, Spaniens König Philip, abserviert hat. Zugleich wird die als Fremde unter den Einheimischen Wandelnde von ihrem neuen Verehrer Arturo bedrängt, der seine eigene Verlobte Isoletta für die Unbekannte sitzen lassen möchte und im Streit ihren Bruder als vermeintlichen Rivalen ersticht - oder eigentlich nicht, denn auf einmal taucht dieser wieder auf. Zur Strafe muss Arturo nun doch seine Verlobte heiraten, zieht dann aber zurück und ersticht sich lieber am Ende, was Alaide nochmals die Gelegenheit zu einer Trauerarie gibt.

In einem abstrakten Holzbottich, der an einen Schiffbauch gemahnt, drapiert Loy hierzu ein paar Theaterzüge als Versatzstücke einer besseren Zeit. Die Schleier sind dabei noch das Dynamischste einer bis zur Erstarrung statischen Regie, in der das theatralische Händeringen einzelner Figuren den Höhepunkt der Bewegungschoreografie darstellt. Dass die beiden Frauenfiguren Alaide und Isoletta wie Untote einer untergegangenen Opernepoche über die Bühne wandeln, wäre ein an sich lohnender Interpretationsansatz, der aber nur temporär aufblitzt.

Anstoß zu dem Projekt mit ihrem Hausregisseur gab die 68-jährige Edita Gruberova, die am 18. Februar ihr 47-jähriges Bühnenjubiläum begeht. Auf der Zielgerade ihres Karrierewegs hat sich die Primadonna assoluta bemerkenswerterweise vor zwei Jahren nochmals an ein für sie neues Werk herangewagt, dessen szenische Premiere 2013 am Koproduktionspartner Zürich Premiere hatte, bevor es nun in Wien landete.

Und Gelegenheit zum dramatischen Glänzen bietet "La Straniera" allemal. Lieben, leiden, hassen - alles ist hier übersteigert ins Exzessive. Die Figuren jammern ohne Unterlass über ihr Los - Bellini porträtiert nicht gerade die "Das Glas ist halb voll"-Typen. Im Zentrum steht dabei die von Gruberova interpretierte Alaide. Auch wenn das einer Blasphemie gleichkommt: Es wird durchaus deutlich, dass die 68-Jährige ihre Intonation mittlerweile oftmals mit Anlauf nehmen muss, auch hat die Höhe etwas Schneidendes dazubekommen. Als Zuschauer sorgt man sich bisweilen vor einem Absturz in den exponierten Passagen, der dann allerdings nicht erfolgt und freut sich über die guten Stellen in dieser vermutlich letzten szenischen Produktion der legendären Sängerin.

Als absolute stimmliche Stütze der gesamten Gesellschaft kristallisierte sich indes der italienische Bariton Franco Vasallo als Valdeburgo heraus, der vom heimischen Bass Stefan Cerny als Richter ebenbürtig flankiert wurde. Trotz schnarrender Momente überzeugte auch Theresa Kronthaler als fragile und zugleich latent unheimliche Braut Isoletta mit starkem Vibrato, während ihr ungetreuer Verlobter Arturo von Dario Schmunck mit alles anderem als strahlendem Tenor die Frage aufwarf, weshalb ihm die Damen so zu Füßen liegen. Eine gewohnte Säule des Abends war der meist zu Genrebilder arrangierte Arnold Schoenberg Chor.

Im Graben herrscht indes der vollständige Gleichklang mit dem Grundtenor der Inszenierung. Beim Dirigat von Paolo Arrivabeni am Pult des RSO herrscht eher Bierernst denn Champagnerlaune. So gab es auch vereinzelt Buhs für den Dirigenten und schwächeren Applaus für Loy und Schmunck. An den Jubel für Edita Gruberova kam indes keiner heran.

Mit großer Spannung können Opernfreunde nun dem morgigen Freitag entgegenblicken, wenn das Experiment zu erleben ist, dass die gleiche Inszenierung eine neuerliche Premiere feiert - mit Marlis Petersen in der Titelrolle an der Seite von Norman Reinhardt anstelle von Dario Schmunck. Die prototypische Schauspielsängerin tritt also an die Seite der archetypischen Koloraturdiva. Ein uneitler, lohender Vergleich, den die beiden Damen im steten Wechsel präsentieren werden.