Eine Zauberin der Verführungstöne

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US-Mezzosopranistin Joyce DiDonato gestaltete beeindruckend eine konzertante Aufführung von Händels "Alcina" im Theater an der Wien.

„Joyce DiDonato trägt Vivienne Westwoods Sueno-Corset-Robe in Petrolgrün aus schwarzem geschuppten Seidenjacquard und zersplittertem Glas auf vielfarbigem Tüllrock und einen geknitterten Lederbolero der Couture-Kollektion“ – Divenalarm, könnte man denken, angesichts dieser Zeilen im „Alcina“-Programmheft des Theaters an der Wien. Dort machte die amerikanische Sängerin halt auf ihrer aktuellen „Alcina“-Tour: Die Stationen London, Pamplona und Madrid wurden bereits absolviert. Paris und New York steht die konzertante Aufführung von Händels zweiter Oper für Covent Garden, die dort 1735 uraufgeführt wurde, noch bevor.

„Alcina“ zählt zu Händels reichsten Partituren. Eine grandiose Arie jagt die nächste, angenehm knapp sind die Rezitative. Ein perfektes Vehikel für die Kunst von Joyce DiDonato, denn ungewöhnlich für das Reglement der Barockoper zeichnet Händel hier mit Alcina einen Charakter, der auch tatsächlich eine Entwicklung durchmacht. Dabei wird der auf ihrer Insel sitzenden männerverschlingenden Zauberin, die sich Liebhaber hält, um sie, sobald sie ihrer überdrüssig ist, in einen Fels, in ein Tier oder einen Baum zu verwandeln, gerade die Liebe zum Helden Ruggiero zum Verhängnis.

Domina des Abends. Dessen Braut Bradamante hat sich nämlich als Ritter in Alcinas Zauberreich eingeschlichen. Ihr gelingt es, den Liebeszauber von Ruggiero zu nehmen. Er entsagt Alcina, die sich diesmal nicht getraut, ihn rechtzeitig zu verwandeln. Am Ende versinkt sie mitsamt ihrem Reich.

Joyce DiDonato hätte ihrer effektvollen Robe gar nicht bedurft. Sie besitzt genügend Präsenz, um sofort klarzumachen, wer an diesem Abend das Heft in der Hand hat. Sie, die zuletzt 2012 mit ihrem barocken Programm „Drama Queens“ in Wien zu Gast war und jüngst als Donizettis Maria Stuarda in New York und London gefeiert wurde, präsentierte sich mit ihrem in der Höhe hell strahlenden und in der Tiefe fein glühenden, technisch perfekt geführten Mezzosopran der anspruchsvollen Partie in allen Lagen beeindruckend gewachsen.

Sie versteht es, mächtig aufzutrumpfen, aber auch fragilste Phrasen zu hauchen, lässt Töne aus dem Nichts saftig anschwellen. Zwischen Trauer und Furor hin- und hergerissen gelingt ihr die große Arie „Ah! mio cor!“ zum spannungsreich durchlebten Emotionspanorama, in „Ma quando tornerai!“ spuckt sie famos ihre wütenden Koloraturen. Nur gelegentlich lässt sie sich von den ihr zu Gebote stehenden Gestaltungsmitteln an die Grenze zum Manierierten verführen.

Anna Devinlässt aufhorchen. Eine starke Vorgabe für die Kollegen, unter denen Alice Coote als Ruggiero vor allem in lyrischen Momenten wie dem Schlager „Verdi prati“ bestehen kann, während es ihren Koloraturen in „Sta nell'Ircana“ an Kraft fehlt. Als Bradamante pariert Sonia Pirna sicher mit dunkel gutturalem, wenn auch nicht mehr ganz so kraftvollem Alt die geforderten Geläufigkeiten ihrer Partie. Aufhorchen lässt die junge Anna Devin als Oberto, mit ihrem geschmackvoll geführten, in der Höhe noch etwas übermütigen Mezzo. Anna Christy bleibt als Alcinas Schwester Morgana mit recht engen, spitzen Soprantönen vor allem Geschmackssache, Ben Johnson hat mit den Koloraturen seine liebe Tenormühe, während sich Bass Wojtek Gierlach als Melisso passabel seiner einzigen Arie entledigt.

Von passendem Zuschnitt erweist sich das sehr kultiviert spielende English Concert, das unter der sicher animierenden Leitung von Harry Bicket Alcinas Insel, die doch vor allem dank Joyce DiDonato für knappe vier Stunden zum Zauberreich wird, mit schönem Originalklang flutet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2014)

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